Zur Philosophie von Bernard Bolzano und Franz Brentano
Bernard Bolzano (1781 - 1848) und Franz Brentano (1838-1917) gelten als frühe Vertreter der Auffassung von der Philosophie als eine exakte Wissenschaft. Wenn Philosophie Wissenschaft sein soll, dann muß ihr Wahrheit zugänglich sein. Der Skeptizismus, der ja die Unzugänglichkeit der Wahrheit lehrt, muß also zunächst widerlegt werden, um aus der Philosophie eine Wissenschaft zu machen. Sowohl Bolzano als auch Brentano unternahmen einschlägige Anstrengungen und erstrebten so eine Erneuerung der Philosophie.
Gemeinsamkeiten zwischen Bolzano und Brentano gibt es noch weitere, nicht nur inhaltlicher, auch biographischer Art. Beide wirkten in dem habsburgischen Vielvölkerstaat, beide waren Priester, beide hatten erhebliche Schwierigkeiten mit ihrer Kirche, Bolzano drohte in einem Verfahren die lebenslange Klosterhaft, Brentano legte sein Priesteramt nieder.
Als Aufklärer verstanden sich beide; sie erstrebten keineswegs eine Erneuerung der Philosophie als Rückkehr zu traditionellen Vorstellungen. Obwohl der Aufklärung verpflichtet waren beide entschiedene Gegner Kants, in dem sie den Vertreter einer überkommenen Auffassung von Philosophie sahen. Gerade Bolzano hielt die Ziele der Aufklärung, vor allem die Verbesserung der Bildung und die Etablierung einer gerechteren Gesellschaftsordnung, sehr hoch; ja, er war von dem Gedanken einer sozialen Verbesserung der Welt und seiner Notwendigkeit geradezu besessen.
Während sich die Interessen Bolzanos auf Logik, Mathematik, Theologie und Ethik fokussieren, so hat sich Brentano in seinen zahlreichen Veröffentlichungen mit nahezu sämtlichen Themen der Philosophie beschäftigt. Beide jedoch pflegten einen neuen Stil des Philosophierens, den Stil strenger Sprachkritik und Sprachanalyse. Bolzano wird gelegentlich als der Urgroßvater der Sprachanalyse tituliert. (Künne S. 121)
Beide wollten, wie gesagt, die Philosophie zur Wissenschaft erheben. Bei Bolzano soll dafür die Logik als Basis dienen, für Brentano hingegen die Psychologie.
Obwohl ihnen eine hohe Wirkungsmächtigkeit - in noch ansteigendem Maße sogar - zugestanden wird und werden muß, sind beide Autoren relativ unbekannt geblieben. Daran haben über hundert Jahre Rezeptionsgeschichte nichts geändert.
Als Gilbert Ryle in den 1920er Jahren in Oxford eine Veranstaltung machte über Bolzano, Brentano, Husserl und Meinong (Alexius von Meinong, 1853-1920, war ein Schüler Brentanos), da hieß es wegen der fremdartig klingenden Namen, Ryle halte Vorlesung über drei österreichische Bahnstationen und ein chinesischen Brettspiel. (Andreas Kemmerling, "Gilbert Ryle: Können und Wissen". Grundprobleme der großen Philosophen. Philosophie der Gegenwart III. Göttingen, 1984: 127-167).