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Dante Alighieri und Francesco Petrarca

 

 

Dante Alighieri (1265-1321) und Francesco Petrarca (1304-1374) gehören beide, zeitlich gesehen, dem Mittelalter an. Vom Werk her gesehen ist Dante als ein durchaus mittelalterlich denkender Mensch anzusehen, Petrarca jedoch nicht! Der Vater des Humanismus ist vielleicht der erste modern denkende Mensch gewesen; seine philosophische Bedeutung liegt darin, daß er der Moderne Möglichkeiten und Wege wies und diese bahnte.

 

Dantes Welt, so wie sie in der “Göttlichen Komödie”, der “Divina Commedia”, dargestellt hat, besteht in einer allumfassenden hierarchischen göttlichen Ordnung. Diese Welt bildet ein Ganzes, das sich von Gott in ihrer höchsten Höhe hinunter bis zur Menschenwelt und weiter hinab bis zur untersten Hölle reicht. Es gibt bei Dante keine absolute Entgegensetzung von irdischer und jenseitiger Welt, beide Welten gehören zusammen und bilden das mittelalterliche Universum. Irdische, unterirdisch-infernalische und überirdisch-paradiesische Welt werden gedacht in einem Realzusammenhang, der insgesamt eine Einheit ausmacht.

 

Dagegen ist bei Petrarca die irdische Welt von der überirdischen radikal und unvermittelbar geschieden. Petrarcas Welt breitet sich horizontal in einer unübersehbaren Weite aus; er selbst ist darin wie ein neuer Odysseus, ein erster Entdecker, der hinausfährt auf die Ozeane des Unbekanntes, aber nur geistig und ohne Schiff. Sich die Welt kundigzumachen ist sein Ziel, diese Neugier auf die Fremde hatte zahllose Nachahmer und noch im ausgehenden Mittelalter wagten sich dann wirklich die ersten Schiffe in die endlos scheinende terra incognita vor.

 

Die Welt Dantes ist im Gegensatz zu Petrarcas entlang einer Senkrechten zusammengefügt. “Die ganze Dantesche Welt erstreckt sich entlang der Vertikalen, vom Untersten, dem Teufelsschlund, bis zu den Höhen des Aufenthalts Gottes und der Seligen. Die einzig wesentliche Bewegung, die die Lage und das Schicksal der Seligen ändert, ist die nach oben oder nach unten entlang der Vertikalen. Nur auf dieser Vertikalen gibt es für Dante wirkliche Vielfalt; Unterschiede zwischen Dingen, die sich auf einer Ebene befinden, sind nicht wesentlich. Dies ist der charakteristische Zug mittelalterlicher Weltanschauung: nur ein hierarchisches Merkmal unterscheidet ein Ding vom anderen und schafft eine Merkmals-Vielfalt.” M. Bachtin, Rabelais und sein Werk. Volkskultur als Gegenkultur, Frankfurt 1987, S. 448; zit. bei Karlheinz Stierle, Francesco Petrarca. Ein Intellektueller im Europa des 14. Jahrhunderts, München Wien: Hanser 2003, S. 39

 

Petrarca erschließt der Welt der Moderne eine Welt der Vielfalt. In einer offenen, richtungslosen, auch “irrenden” Bewegung entdeckt der Geist Petrarcas eine Welt der Pluralität, in der das Ich sich selbst in immer neuen Aspekten vor immer neuen Horizonten begegnet. “Das Irren in der offenen Landschaft ist eine Bewegung ohne Ziel, an die das Ich sich verliert, aber es ist zugleich ein entdeckendes und erschließendes Umhergehen, bei dem das Ich die Landschaft ebenso wie sich selbst entdeckt.” Stierle S. 49

 

Dante war bestrebt in einer ungeheuren Anstrengung ein Werk zusammenzufügen, daß die Fabel der Welt als ein jede Vorstellung überbietendes Ganzes zur poetischen Erfahrung machte. Dagegen schreibt Petrarca sich ins Offene, sucht viele und immer neue Darstellungsformen für seine Werke, wovon kein einziges ein abgeschlossenes und vollendetes Ganzes geworden ist. Seine Werke sind Konfigurationen von fragmentarischen Einzeltexten, aus einem Augenblick entsprungen und lebenslang immer wieder überarbeitet. Vgl. Stierle S. 49