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Die Philosophie des Thomas Hobbes

 

Thomas Hobbes ist vor allem als politischer Denker bekannt, nämlich als Verfasser des "Leviathan". Zumeist gilt er als ein Vordenker der Konservativen, weil er dem Staat in seiner Lehre eine nahezu uneingeschränkte Machtfülle zuschreibt. Aber auch die Marxisten haben ihn zu ihren Gunsten ausgelegt, und mit einigen Retuschen kann er sogar als ein Liberaler verstanden werden.

 

Diese verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten eines Autors bezeichnen sicherlich die Komplexität seiner Lehre, wobei Vielschichtigkeit allerdings die Gefahr einer einengenden Deutung vergrößert.

 

Zu seiner Zeit war Hobbes keineswegs als ein Konservativer verschrieen, er gehörte zu gar keiner Parteiung; vielmehr war er ein Außenseiter und als solcher allgemein verpönt. Er wurde nicht einmal in die damals gerade gegründete Royal Society aufgenommen, obwohl Hobbes fraglos zu den bedeutendsten Gelehrten Europas gerechnet werden mußte.

 

1588 wurde Hobbes geboren, im selben Jahr als die spanische Armada England überfiel. Angesichts des Schreckens der feindlichen Flotte soll die Mutter mit einer Frühgeburt niedergekommen sein, und Hobbes erzählte später gern, daß sie damals Zwillinge zur Welt brachte: ihn und die Angst.

 

Überall in Europa lebten die Menschen damals in Angst, denn in vielen Ländern kam es zu schrecklichen und langjährigen Religionskriegen. Herausragende historische Beispiele sind der französische Hugenottenkrieg mit dem bestialischen Höhepunkt der Bartholomäusnacht von 1572, der von 1562 bis 1598 andauerte; in Deutschland verwüstete der Dreißigjährige Krieg zwischen 1618 und 1648 das gesamte Land; in Frankreich verheerte zwischen 1648 und 1653 der Aufstand der “Fronde” die Île de France; und in Großbritannien begann 1637 der Bürgerkrieg.

 

Thomas Hobbes ist der Philosoph des Bürgerkrieges. Erklärtes Ziel seiner politischen Philosophie ist der Friede; der Frieden steht für den konkreten Nutzen seiner Staatstheorie. Den Garanten dieses Friedens sieht er in einem starken und autoritären Staat, stark genug, um jeden Konkurrenten um die Macht sofort ausschalten zu können.

 

Doch Hobbes ist auch ein Prototypus des neuzeitlichen Philosophen. Seine neuartige Weise zu philosophieren datiert her von einem biographischen Erlebnis, das eine Art Kehrtwende bewirkte oder besser noch: Methodenbewußtheit. Auf dem Kontinent stieß er auf eine Ausgabe der “Elemente” des Euklid. Euklids Methode, der jedem Kapitel Postulate, Axiome und Definitionen voranstellte, wurde für Hobbes vorbildlich. Noch der Titel seines philosophischen Hauptwerkes, Elemente der Philosophie, knüpft an Euklid an.

 

Allerdings konnte er Euklids Methode nicht einfach kopieren, er betrieb ja auch keine Geometrie. An die Stelle der Axiome, Definitionen und Postulate rücken bei Hobbes gewisse Grundelemente, die aber zunächst erst einmal aufgefunden werden müssen.

 

Die methodischen Vorstellungen von Hobbes sind allerdings nur verständlich, wenn man berücksichtigt, daß im 17. Jahrhundert Welt und Wirklichkeit mit Vorliebe als Maschine vorgestellt wurden. Als bevorzugte Metapher galt allgemein die Uhr. Um eine Uhr zu verstehen, muß man sie auseinander bauen; wer sie dann wieder zusammenbauen kann, der hat unter Beweis gestellt, daß er ihre Funktionsweise verstanden hat.

 

Ähnlich verfährt theoretisch Hobbes mit der Wirklichkeit, selbst auch den Staat versucht er als Maschine zu verstehen. Zunächst muß die Wirklichkeit zerlegt werden, um ihre Grundelemente aufzufinden, dann wird mittels der Grundelemente aufgezeigt, wie die Wirklichkeit aufgebaut ist und wie sie funktioniert.

 

 


Wenn wir wirklich verstehen wollen, was die Dinge sind, dann müssen wir sie machen können. Diese Art von Wissen unterscheidet sich grundlegend von antiken oder mittelalterlichen Wissensbestrebungen. Antikes und mittelalterliches Wissen ging es um Absolutheit, seien es Ideen oder sei es Gott! Dieses Wissenwollen war immer Selbstzweck, der höchste Lohn des Erkennenden bestand in der Kontemplation über das gewonnene Wissen selbst. Hobbes will mit seiner Philosophie nützlich sein. Wissenschaft soll nützlich sein. Hobbes ist keineswegs gewillt, das Sosein der Welt als gottgegeben hinzunehmen; er will diese Welt verändern und zwar so, daß sie ein wenig besser wird. Im Schlagschatten dieser neuen Methode, die als geometrische von sich Reden macht, wird sich, erst sehr langsam, dann revolutionär, auch die moderne Technik entfalten.

 

Bei Hobbes, vor allem in seiner Staatslehre, wird die scheidende Linie zwischen Mittelalter und Neuzeit so deutlich, wie sie schärfer nicht gezogen sein könnte.

 

Hobbes verkörpert einen Typus von einem Gelehrten, wie er im 17. Jahrhundert nicht selten war. Wie auch Descartes, Spinoza oder Leibniz war Hobbes kein Professor, seine Gelehrsamkeit  war eben nicht verwurzelt in der Institution einer Universität. Die Universitäten hatte Hobbes im Verdacht, Handlanger der Theologie zu sein. “Buden und Werkstätten des Klerus”, schimpfte er sie. Er denunziert sie als “scholastisch” (d.h. für Hobbes, daß sie sich mit Spitzfindigkeiten und Scheinproblemen abgeben) und verdammt besonders den an den Universitäten immer noch eifrig studierten Aristoteles, von dem er nur die “Rhetorik” und die “Tierkunde” gelten läßt. Die Theologie ist für Hobbes nachgeordnet, der säkulare Staat soll oberste Macht sein. Im Gegenzug werden die Vertreter der Universitäten Hobbes als Atheisten darstellen, aber ein Leugner Gottes war er keineswegs.

 

Hobbes hatte keinen eigentlichen Beruf, er war ohne Familie und von unbedeutender Herkunft, dennoch konnte er sich in den Zirkeln der Vornehmen Ansehen verschaffen, weil sein überragendes Wissen und sein Verstand Eindruck machten. Offenmals wird er als Misanthrop und sauertöpfischer Pessimist verschrien, tatsächlich war er wohl ein eher warmherziger und geselliger Mensch.