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Philosophische Hunde

 

Wer als “Hund” beschimpft wird, der hat selbst schuld: Materialistische Gottlosigkeiten (die Leugnung der Seele) veranlassen die Dichter, "die Philosophen mit Hunden" zu vergleichen, "die ein unnützes Geschwätz erheben ..." (Platon Nomoi 967 C)

 

Weil der Weise die Welt nicht anders wünscht, als sie ist, lehnt er sich nicht gegen das Unabänderliche auf. Chrysipp konnte diese Haltung in das Bild eines Hundes kleiden, der, an einen Wagen festgebunden, diesem freiwillig nachläuft, statt sich hinterherschleifen zu lassen.  Wenn der Hund klug ist, läuft er freiwillig und vergnügt mit; wenn er sich aber auf die Hinterbeine setzt und jault, wird er doch mitgeschleift. (H. von Arnim, Stoicorum veterum fragmenta Bd. 2, 2. A., 1921, 975, bei: Hippolytos, Refutatio omnium haeresium I 21) So wie Sokrates beim Hunde schwor, so Zenon von Kition bei der Kapper. (Diog. Laert. VII, 32)

 

Wie die jungen Hunde nicht nur die Fremden, sondern alle anbellen, so suchen die jungen Philosophen alle zu widerlegen und beginnen dabei bei ihren Eltern. (SVF I 386, S. 88,13-16, Ariston bei Stob.)

 

Die Kyniker waren die Anhänger des "Hundes". Der anfängliche Hohnname wurde bald von den Verhöhnten akzeptiert (Diog. Laert. VI 33.55.60). "Dankbarkeit und Treue hebt der achte unter den kynisch gestimmten Anacharsisbriefen als Vorzüge des Hundes hervor, ähnliche Eigenschaften erscheinen bei Luc. fugit 16, Athen. 13, 611 bf. als durch den Namen Kyniker gefordert, von seinen Trägern aber nicht verwirklicht." (Ueberweg, Gesch.der Phil. 1, 160)

 

"Gleich den Hunden"! (Lucrez, De rerum nat. I, 404; Seneca Ep. Phil. Schriften Meiner 1993, III, 287) Ich habe eine Hundezunge gegessen, d. h. ich rede wie die Kyniker; etwa: "kein Blatt vor den Mund nehmen". (Petronius, Satyricon 43,3) Diogenes von Sinope nannte Aristipp einen  königlichen Hund, ein Kompliment! (Diogenes Laertios II 66)

 

Aber bei Sextus Empiricus klingt es, als ob hier eine Ehrung vorläge: Weil der Hund vollkommen scheine, haben sich einige in der Philosophie sich selbst mit dem Beinamen dieses Tieres beehrt. (Sextus Empiricus, Pyrrh. Grundrisse, I, 72)

 

Anders Boethius, der den  Habgierigen dem Hund zu vergleicht. (Boethius, Consolatio philosophiae, IV, 3.p.)

 

Hatte nicht schon Roger Bacon einen schwarzen Hund? Jedenfalls Agrippa von Nettesheim hatte einen schwarzen Hund, einen Pudel, der bekanntlich in Wirklichkeit der Teufel war. Als Agrippa einsam in Grenoble starb, da stürzte sich der Hund in die Isère. Agrippa sollte samt Pudel zum Urbild des Goetheschen Faust werden. (Eugenio Garin, Hg., Der Mensch der Renaissance, Frankfurt a.M.: Campus 1990, zuerst Rom 1988, 207) Der Pudel machte Mode: Auch Jean Paul besaß einen!

 

Und der Teufel, das ist in Goethes “Faust” des Pudels Kern! (Barbara Allen Woods, Goethe and the poodle motif. In: Fabula 1, 1958, 59-75) Goethe mochte keine Hunde! Er litt an einer Kynophobie! (Bernd Hamacher, Johann Wolfgang von Goethe. Entwürfe eines Lebens, Darmstadt 2010, 205)

 

Bei Albrecht Dürer wird der Hund ein Bild der “schwarzen Galle”, der Melancholie, nämlich in dem berühmten Stich "Melencolia" von 1514. (R. Klibansky, E. Panofsky, F. Saxl, Saturn und Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphil. usf., zuerst 1964, dt. 1992, 534 u. Abb. 1 u. 3) "Der tolle Hund hat mich gebissen: die Lebensabkehr, der Weltabwendungsgedanke." Theodor Lessing, Ich warf eine Flaschenpost ins Eismeer der Gesachichte Frankfurt/M. 1986, 311.

 

Francisus Robortellus (Francesco Robortello), geb. 1516 in Udine, gest. 1567, Humanist und Kritiker, Professor der Ethik, der klassischen Sprachen und der Philosophie in Lucca, Pisa, Venedig, Padua, Bologna und zuletzt seit 1560 wieder in Padua. Wegen seines streitsüchtigen Temperaments Canis grammaticus ("grammatischer Hund") genannt.

 

“Wer ist ein guter König? Er ist ein Wachhund, ein Hüter der Herde, der die Wölfe mit Gebell in die Flucht schlägt. Wer ist der schlechte? Er ist selbst der Wolf.” (Thomas Morus, Epigramm 97 (Schulte-Herbrüggen), zit. bei Gerald Munier, Thomas Morus. Urvater des Kommunismus und katholischer Heiliger, Hamburg:VSA 2008, S. 78)

 

Zur Veranschaulichung seiner Theorie der Gleichförmigkeit wählte Christian Huygens ein Bild, das ein ganzes Jahrhundert lang mit dem Analogie-Gedanken in der Kosmologie identifiziert wurde: das Hunde-Gleichnis. Wer bei einem aufgeschnittenen Hund die Eingeweide sieht, der wird sodann denken können, daß bei anderen Tieren ebensolche Innereien in ihren Körpern anzutreffen seien. Der Vergleich soll die Theorie der Analogie unter den Planeten stützen, d.h. die Berechtigtheit von der Erde auf die anderen Planeten schließen zu dürfen. (Chr. Huygens, Kosmotheoros. Übers. von J.Ph. Wurzelbauer, Leipzig 1903, S. 11f. Auch Chr. Wolff und Gottsched benutzten die Metapher. Vgl. Rainer Baasner, Das Lob der Sternkunst. Astronomie in der deutschen Aufklärung, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1987, S. 142f.)

 

Die Züchtung des Menschen unter der Bedingung, daß er absolute Macht über seine Affekte habe, gleiche der Perversion, wenn aus einem Haushund durch Dressur ein Jagdhund, dem Jagdhund aber derart die Verfolgung der Hasen abgewöhnt werde. (Spinoza, Eth. V, Vorwort)

 

Seneca war, als er über das Glück schrieb, selbst ein unglücklicher Mann, und er schrieb über das Glück wie über einen Hund, der ihm entlaufen ist. (Julien O. de La Mettrie, Über das Glück oder das höchste Gut. Anti-Seneca, Nürnberg: LSR 1985, 32)

 

Vor dem bedeutenden Spinoza-Buch F.H. Jacobis (Über die Lehre des Sp., 1785) sprach man (Moses Mendelssohn) von Spinoza wie von einem "toten Hund". (H. Scholz, Hg., Die Hauptschriften zum Pantheismusstreit zwischen Jacobi und Mendelssohn, Berlin 1916, 88)

 

 

Gegen Schleiermachers Begründung der Religion im Gefühl der „schlechthinnigen Abhängigkeit” wendet Hegel ein, daß dann ein Hund der beste Christ sei, denn das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit finde sich in einem Hund in besonderem Maße. Selbst Erlösungsgefühle habe der Hund, z.B. wenn er seinen Knochen bekommt und sich vom Hungergefühl erlöst fühlt. Karl Rosenkranz, Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben, Berlin 1844, Nachdruck Darmstadt 1977, 346f., zit. bei Rainer Schäfer, Hegel. Einführung und Texte, München 2011, 29f.

 

Die ideologisch vereinnahmte Philosophie als "Kettenhund". (A. Schopenhauer, Werke, ed. Hübscher, 1972, Bd. V, 167, Parerga I)

 

Das Publikum hält sich einen Hund, und das ist die Tageszeitung. (S. Kierkegaard, s. Walter Nigg, Sören Kierkegaard. Dichter, Büßer und Denker (zuerst 1957). Zürich: Diogenes 2002, 117)

 

Der britische Naturforscher Thomas Henry Huxley (1825-1895) wurde wegen seiner entschlossenen Verteidigung der Evolutionstheorie “Darwins Bulldogge” genannt. Daran mag Peirce gedacht haben: Eine Fähigkeit, mit der wir uns versehen sollten, ist ein entschlossenes Unterscheidungsvermögen, das sich wie eine Bulldogge an den besonderen Grundzug, den wir untersuchen, heftet, ihm überallhin folgt... (Ch. S. Peirce Vorlesungen über Pragmatismus CP 5.42, vgl. S. Rohr Über die Schönheit des Findens Stuttgart 1993, 139)

 

Der von William James zitierte Philosoph Xenos Clark verglich die Philosophie mit einem Hund, der hinter seinem eigenen Schwanz herjagt. “Je mehr er hetzt, um so weiter muß er laufen, und seine Nase erreicht niemals seine Fersen, denn sie ist ihnen immer voraus. (...) In Wahrheit befinden wir uns auf einer Reise, die bereits vollendet war, noch bevor wir sie angereten haben (...)”, W. James, The Varieties of Religious Experience, Kap. Mysticism, Anm. 9, New York 1961.

 

Nietzsche schätzte den Hund als Bild von Prägnanz. "Der Cynismus im Verkehre ist ein Anzeichen, dass der Mensch in der Einsamkeit sich selber als Hund behandelt." (F. Nietzsche Menschliches Allzumenschliches II 256) "Nicht soll Zarathustra einer Heerde Hirt und Hund werden!" (F. Nietzsche Zarathustra, KSA 4, 25) Zum Feuerhund gewendet: "Fürwahr, für einen Hund der Tiefe nimmst du deine Nahrung zu sehr von der Oberfläche!" (F. Nietzsche Zarathustra, KSA 4, 168) Das Leben gefragt: "- willst du mein Hund oder meine Gemse sein?" (F. Nietzsche Zarathustra, KSA 4, 283) Über all die kleinen Leute hinwegblickend "wie ein Hund über die Rücken wimmelnder Schafheerden..." (F. Nietzsche Zarathustra, KSA 4, 330)

 

Enst Bloch meinte (in der heroischen Phase des Sowjetkommunismus), die russischen Kommunisten dächten wie die Hunde, handelten aber wie die Philosophen. (Zit. bei  Detlev Claussen, Theodor W. Adorno. Ein letztes Genie, Frankfurt a.M.: Fischer 2. Aufl. 2003, 192) Israel nennt Ernst Bloch daraufhin den "Köter des amerikanischen Imperialismus in Vorderasien". (Zit. bei Eberhard Bahr, Ernst Bloch, Berlin: Colloquium 1974, 63)

 

In seinem Buch "Les chiens de garde" (Die Wachhunde) attackiert Paul Nizan die Intellektuellen seiner Zeit, zumal die namhaften Universitätsprofessoren, als Hüter der etablierten bürgerlichen Ordnung, wofür er den Begriff "Wachhunde" geprägt hat. (Blake Lee Spahr, Dogs and doggerel in the German baroque. In: JEGPh. 54, 1955, 380-86; Barbara Allen Woods, Goethe and the poodle motif. In: Fabula 1, 1958, 59-75)

 

 

 

Denis Diderot, im Alter krank und die Gesellschaft meidend, kam sich wie ein “geprügelter Hund” vor. “Ich werde nie etwas anderes sein oder war nie etwas anderes als ein geprügelter Hund.” Damit meinte er allerdings nur sein “öffentliches Leben”, sein Privatleben gefiel ihm durchaus! (Pierre Lepape, Denis Diderot. Eine Biographie, Frankfurt am Main: Campus 1994, zuerst 1991, S. 294)

 

In der Neuzeit sind wohl Rousseau und Schopenhauer die prominentesten Hundehalter unter den Philosophen. Ein berühmter Hund Rousseaus hieß Sultan. (Jens-Peter Gaul, Jean-Jacques Rousseau, München: dtv 2001, 130) Peinlich für Rousseau ist es, als ruchbar wird, daß er seinen Hund “Duc” auf “Turc” umgetauft hat, um bei den Herzögen (u.a. dem Herzog von Luxembourg), mit denen er im Schloss verkehrt, keinen Anstoß zu erregen. (Monika Pelz, Der hellwache Träumer. Die Lebensgeschichte des Jean-Jacques Rousseau, Weinheim u. Basel: Beltz & Gelberg 2005, 208; vgl. 245) David Hume beklagte sich, welch einen Rummel um Rousseau gemacht werde: “Allein schon sein Hund, nur ein Collie, hat Name und Ruf in der Welt”, schrieb Hume an einen Freund. (Monika Pelz, Der hellwache Träumer. Die Lebensgeschichte des Jean-Jacques Rousseau, Weinheim u. Basel: Beltz & Gelberg 2005, 245; siehe auch: David Edmonds, John Eidinow, Rousseaus Hund. Zwei Philosophen, ein Streit und das Ende aller Vernunft, München: DVA 2008)

 

Rousseau war schon sehr berühmt als er am Abend des 16. Dez. 1765 in Paris eintraf. Selbst sein Hund “hat einen Namen und in der Welt ein hohes Ansehen.” (David Hume, Letters, Vol. 1, Oxford 1931, 530; Gerhard Streminger, David Hume. Der Philosoph und sein Zeitalter. Eine Biographie, München: Beck 2011, 491) Es handelte sich um Rousseaus Hund Sultan. Auch in London machte Rousseau Schlagzeilen. Und auch der Hund: Es wird berichtet, daß Sultan sich verlief... daß sein Herrchen ihn wiederfand...!

 

Sogar der englische König verlangte danach, den berühmten Rousseau zu sehen. Hume arrangierte eine Begegnung im Theater. Die drohte aber zu scheitern, weil Rousseau fürchtete, Sultan könnte derweil wieder fortlaufen.  Auf Humes Vorschlag wurde Sultan in einem Zimmer eingesperrt, doch Rousseau konnte es nicht ertragen, den Hund wimmern zu hören und wollte nicht ins Theater. Hume verließ die Gelassenheit und protestierte; Sultans Unbehagen sei kein Grund, den König und die Königin zu brüskieren. (Vgl. Streminger, a.a.O.,  491-494)

 

Als er in der New Town in Edinburgh lebte, hatte aber auch David Hume einen Hund, Foxey, einen Spitz. (Streminger, a.a.O., S. 531)

 

Arthur Schopenhauer besaß eine Reihe von Hunden, alles Pudel, denen er lustige Namen gab. Er besaß einen weißen Pudel, dann einen braunen namens Butz, dessen posthumer Kopf in Gips, mit langen herabhängenden Ohren, über der Zimmertür wachte. Ein weiterer Vierbeiner trug den stolzen Namen „Atma” (Weltseele)1859 kündigt er sogar seine Wohnung, weil er mit dem Hauswirt Streitigkeiten wegen seines Pudels hatte. (R. Safranski, Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie. Eine Biographie. Reinbek 1990, S. 421; Walter Abendroth, Schopenhauer, Reinbek 1967, 122)

 

Im WS 1871/72 und SS 1872 vertrat allein der Rechtshegelianer Georg Weissenborn die Philosophie in Marburg. Seine Vorlesungen hatten für die Studenten an Attraktivität eingebüßt, was an der Inaktualität seiner Philosophie wie auch an den grillenhaften Zügen des alternden Ordinarius lag. Studentischen Spott zog vor allem Weißenborns enge Beziehung zu seinem verhätschelten Hund "Ami" auf sich. Ulrich Sieg, Aufstieg und Niedergang des Marburger Neukantianismus. Die Geschichte einer philosophischen Schulgemeinschaft, Würzburg: Königshausen & Neumann 1994, S.83, Fußnote 100. Das Ehepaar Weißenborn hatte keine Kinder, aber Hund "Ami" wurde wiee ein vollgültiges Familienmitglied behandelt. Er fraß nicht, sondern speiste mit zu Mittag, bekam seine Weihnachtsbescherung usf. Eines Tages las man an allen Straßenecken die betrübende, groß gedruckte Todesanzeige von Ami. Weißenborns waren entrüstet, denn ihr Hund war bei bester Gesundheit. Eine Untersuchung wurde eingeleitet, die zwar nicht zum "Täter", aber zu einer neuen Anzeige führte, wiederum an allen Straßenecken zu lesen: "Ami nicht tot, nur Matzki". Matzki war ein alter durchtriebener Studentenhund, der z.B. darauf dressiert war, Leuten, die recht krumme Beine hatten, durch diese Beine zu springen. Theodor Birt, Hg., Marburger Licht- und Schattenbilder. Erinnerungen. Marburg 927, 60

 

Albert Schweitzer und seine Ehefrau hielten in Lambarene zahlreiche Tiere, im April 1915 gab es nicht nur 52 Hühner, drei Ziegen, zwei Enten, ein Schaf, eine Antilope, eine Katze und ein Papagei, sondern auch noch den Hund Caramba, eine wichtige Persönlichkeit am Ort. Nils Ole Oermann, Albert Schweitzer 1875 - 1965. Eine Biographie, München: Beck 2013, S. 138

 

Als Beleidigung war und ist der “Hund”, trotz all der bedeutenden philosophischen Hunde, doch noch immer sehr geeignet. Dr. Johnson, der englische Literaturpapst des 18. Jahrhunderts, ein konservativer und reaktionärer Mensch, hielt Adam Smith nicht nur für so dumm wie einen Hund, sondern von unseligen Tischmanieren, der den Wein im Mund gluckerte. (Streminger, a.a.O., S. 513)

 

Arthur Kaufmann: "Hier eben liegt der Hund begraben". Arthur Schnitzler repliziert: "Ist nicht am Ende die ganze Philosophie solch ein Hundefriedhof?" (A. Schnitzler, Briefe Bd. II, Frankfurt 1984, 28. Dezember 1919; zit. bei H. Blumenberg, Die Verführbarkeit des Philosophen, Frankfurt am Main 2000, 161)