Wenn Philosophen komisch sind, dann meist unfreiwillig!
Zum Lachverbot in der europäischen Kulturgeschichte!
Eine ägyptische Sekte lehrt die Entstehung der Welt aus dem siebenmaligen Gelächter des Urgottes Abraxas. Hugo Ball, Byzantinisches Christentum (zu Dionysius Areopagita), Einsiedeln: Benziger 1958 (2. Auflage, zuerst 1923), 65 - 211, 87.
Mit dem Beginn der europäischen Bildungsgeschichte verbunden: das Homerische Gelächter - ein schallendes Gelächter (nach Stellen bei Homer, wo von dem "unauslöschlichen Gelächter der seligen Götter" die Rede ist), das die Vergeblichkeit und die Anstrengung menschlicher Mühen wohlwollend, nicht verächtlichmachend, miteinander verknüpft.
Zwei Arten von Lachen sind zu unterscheiden: ridiculum und vis comica, das aggressive, verletzende Gelächter, das Auslachen einerseits, die Freude an einem geistreichen Witz, an Wortspielen und klugem Räsonnement andererseits...
Werner Röcke, Das Lachen der Gelehrten. Reuchlin und die humanist. Komödie des 15. Jh., in: Daniela Hacke u. Bernt Roeck, Die Welt im Augenspiegel. Johannes Reuchlin und seine Zeit. Stuttgart: Thorbecke 2002, 147-159, 148f.
Das gilt auch schon für die Antike: das Lächeln, ein feiner höflich-freundlicher Gesichtsausdruck, ist erlaubt, vielleicht sogar empfohlen, aber das laute ungezähmte Gelächter, das wird verpönt und als unbeherrscht und tierisch abgetan.
Mäßigung der Geschwindigkeit der Bewegung galt in der Perikles-Zeit in Griechenland als Besonnenheit; dazu zählte auch die Zurückhaltung der Mimik etc. Lachen in der Öffentlichkeit galt als unedel! Platon hat den Wächtern seines Idealstaates Lachen und Weinen verboten!
"Unsere Vorfahren bemühten sich darum, ein würdevolles, nicht ein gewöhnliches Benehmen an den Tag zu legen. Sie hielten Spaßvögel
(eutrapelous) und Witzbolde, die man heute als talentierte Menschen bezeichnet, für unglückliche Kreaturen." Isokrates, Areopagitikos 49; vgl. Antidosis 284; s. Isokrates, Sämtl. Werke, übers. v. Ch. Ley-Hutton, hg. K. Brodersen, 2 Bde., Stuttg. 1993-97 (geschrieben um 350 v. Chr.)
Am Beginn der Philosophie ein peinlicher Zwischenfall, der beobachtet wurde: der von einer Magd ausgelachte Thales, der in den Himmel starrend, in einen Brunnen fällt. Das Gelächter des Ungebildeten, Inkompeteten: ein provokantes Ärgernis.
Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos, 19905,137ff.; ders. Das Lachen der Thrakerin, insbes. S.54.
"Die Stimme der Sibylle durchdringt mit rasendem Munde Jahrtausende, kündend Ungelachtes und Ungeschminktes und Ungesalbtes." (Heraklit).
Ungelacht, das ist ernst gemeint, sehr ernst!
Pythagoras soll nie gelacht haben (Diog. Laert. 8,20), auch Anaxagoras (Aelian, Varia historia 8,13) und dem weisen König Anacharsis (Athenaios 613d) nachgesagt.
In der Neuzeit gilt vor allem Charles Fourier als einer, der nie gelacht haben soll, was man glauben möchte, hat man nur einmal ein Porträtfoto von ihm betrachtet. Er liebte Orgien, haßte aber den Handel, die Ehe und Kröten.
Von dem Tyrannen von Sizilien, Dionysios II. (Älian, Varia historia 13,18), von den Anhängern der pythagoreischen Lehre wie auch von Aristoxenos (Aelian 8,13), der umfangreichsten Quelle für den antiken Pythagoräismus aus dem 4. Jh. v.Chr., wird dasselbe berichtet; die Anhänger des Pythagoras wurden in der athenischen Komödie wegen ihres freudlosen Gesichtsausdrucks verspottet (Alexis Frg. 201).
Zu den Pythagoräern: W. Burkert, Lore and Science in Ancient Pythagoreanism, Cambridge, Mass. 1972; J. Bremmer, Religious Secrets and Secrecy in Classical Greece, in: H. Kippenberg u. G. Stroumsa, Hg., Secrecy and Concealment, 1995, 61-78, bes. 63-70.
Nach Jamblichus in seinem Buch Über die pythagoräische Lebensweise (25) hatte Pythagoras Sparta besucht; auch die Spartaner hatten ein gespanntes Verhältnis zum Humor.
Daß Pythagoras nie lachte und sich auch nie grämte, erwähnt Porphyrios in seinem Leben des Pythagoras (35).
"Man sollte Lachen so verwenden, wie man Salz benutzt: sparsam". Sokrates bei Stobaios 3, 34, 18.
Wenn die Zuschreibung zutrifft, dann wäre wohl auch Sokrates einer der vielen Philosophen gewesen, die - wie man annahm - nie oder nur selten gelacht haben.
Auch Platon soll nie gelacht haben, behauptet Luciano de Crescenzo, Geschichte der griechischen Philosophie. Die Vorsokratiker - Von Sokrates bis Plotin, zwei Bände in einem Buch, Zürich Diogenes: 1985, 1988, 309 u. 313. Crescenzo verweist auf Heracleides (fr. 16 Müller) und Diogenes Laertios III, 26.
Politeia 374a: Es sei unziemlich, allzusehr dem Lachen geneigt zu sein, meint der platonische Sokrates (und verteilt Hiebe an Homer, der anders übers Lachen dachte).
Platon nimmt das Lachen überhaupt anstößig. - Den Hütern seines Idealstaates verbietet er allzuviel Lachen, weil auf übermäßiges Lachen üblicherweise eine gewaltsame Reaktion folge. Politeia III 3, 388E; auch bei Erörterung der Dichtung betont er die Mäßigung des Lachens; in der Komödie lehnt er die Posse ab, weil sie im privaten Umkreis zur Nachahmung führen könne, Politeia 606; in den Gesetzen will er die Komödie sogar ganz abschaffen und die Posse Sklaven oder angeworbenen Fremden überlassen, Nomoi 816f. - Vgl. dazu J.Burckhardt, Griech. Kulturgesch. III2, Ges. Werke VI, 112: Burckhardt erklärt diese Einstellung mit Platons Vorliebe fürs Jenseits. Aristoteles dagegen wird zu dem Autor, auf den sich die Verteidiger des Lachens berufen werden (für ihn ist das Lachen ein bes. Merkmal des Menschen).
Platons Opposition gegen das Lachen entspricht, daß in seiner Schule, der Akademie, das Lachen verboten war (Älian, Varia Historia 3,35), er selbst wurde in der athenischen Komödie als ein Miesepeter dargestellt (Amphis, Fragm. 12).
H.D. Rankin, Laughter, humor and related topics i Plato, Classica et Medievalia 27, 1966, 186-213; M. Mader, Das Poblem des Lachens und der Komödie bei Platon, 1977; G.J. de Vries, Laughter in Plato, Mnemosyne 4, Ser. 38, 1985, 378-381; M. Tecusan, Logos Sympatikos: Patterns of the Irrational in Philosophical Drinking: Plato outside the Symposium, in: Sympotica, hgg. O. Murray, Oxford 1990, 238-260; Z. Stewart, Laughter and the Greek Philosophers: A Sketch, in: S. Jäkel, A. Timonen, Hrsg., Laughter down the Centuries, Bd. 1, Turku 1994, 29-36.
Platon lehnt auch die Gesellschaft angemieteter Unterhalter beim Symposion ab; das sei kennzeichnend für das Gelage ungebildeter und gemeiner Menschen. Protagoras 347 C-D.
M. Bachtin allerdings sieht in den platonischen Dialogen die Spur des Lachens, in den ersten (sokratischen) Dialogen sei das Lachen reduziert, aber er lobt die echte und nicht bloß rhetorische Dialoghaftigkeit bei Platon; sein Schrifttum sei nicht monologisierend (und daher dogmatisch), nicht in Abstraktion erstarrt, sondern polyphon. Monologisierendes Denken erkennt Bachtin als lachfeindlich, ein mehrgleisiges Denken kann sich den Ausbruch des Gelächters erlauben. "Hier und da geht das Lachen in den Dialogen der Frühzeit aus der Struktur der Gestalt heraus und bricht gleichsam ins laute Register ein. In den Dialogen des späten Platon ist das Lachen auf ein Minimum reduziert." M. Bachtin, Literatur und Karneval, München 1969, 67.
In Xenophons Symposion kommt uneingeladen ein Spaßmacher, mit Namen Philippos, zu Gast (s. Symp. 1, 11-16). Seine Witze bleiben erfolglos, d.h. unbelacht, zum Lachen kommen die geladenen Gäste erst, als das Elend des Spaßmachers (weil niemand ihn komisch findet) ihn traurig stimmt. - Sokrates mahnt ihn später, daß er für sich behalten solle, "was man nicht sagen soll" und unterdrückt so eine weitere "Pöbelei" des Spaßmachers (6,8-10).
Das Lachen soll gezähmt werden, denn offenbar ist Humor etwas Gefährliches: diese Meinung teilten konservativ Philosophen, Spartaner und frühe Christen.
Aristoteles bietet in seiner Nikomachischen Ethik eine systematische Analyse von Spaß und Lachen (4,8): Aristoteles unterscheidet zwischen solchen, die den Humor übertreiben, die den Gegenstand ihres Spottes verletzen, und jenen, die in einer geschmackvollen Weise scherzen, nämlich "wohlgewandt" (eutrapeloi) und als Männer, die auf den Mittelweg achten.
Der Staat sollte die Jungen keinen unanständigen Unterhaltungen aussetzen, diese seien sogar insgesamt vom Gesetzgeber zu verbannen. Politik 7,15,7.
In der Rhetorik unterscheidet er eine Art des Lächerlichen, die sich für den freien Mann schickt, eine andere dagegen nicht. Rhet. 3, 18.
In seiner Abhandlung De officiis geht Cicero auf das Problem des Witzes und seiner Beschränkungen ein: Die Grenze wird durch das markiert, was "passend" ist (to prepon) - eine Kategorie, die dem Panaitios von Rhodos so gut gefiel (auf den sich Cicero stützt), die letztlich auf Aristoteles zurückgeht. De off. 1,103f.
Cicero selbst galt bei dem steifen Cato (dem Jüngeren) als "ein lächerlicher Konsul" (Plutarch, Comparatio Demosthenis et Ciceronis 1,5); andere, noch weniger wohlgesonnene Zeitgenossen, belegten ihn mit dem Spitznamen Scurra, Clown (Macrobius, Saturnalia 2,, 12: eum scurram ab inimicis appellari solitum; vgl. Ph. Corbett, The Scurra, Edinburgh 1986).
In De oratore hören wir mehr über die Grenzen des Witzes. Humor erscheint hier als Mittel der Überredungskunst eines Redners, der sein Publikum für sich gewinnen will. Freihalten müsse sich der Witz von großen Verbrechen und großem Elend, beides sind offensichtlich ernste Angelegenheiten; ein Witz über Verbrecher oder über großes Unglück diskreditiert den Redner; ein weites Feld für Witze sei die körperliche Erscheinung eines Menschen (2, 237-239), aber man solle sich hüten, zu weit zu gehen, weil man sonst als Clown erscheine. Der Scurra ist eigentl. derjenige, der jene Grenzen des Humors nicht kennt, die von Ernst (gravitas) und Intelligenz (prudentia) auferlegt werden (2, 247).
Der Witz dient auch für Quintilian dazu, zu überreden, und zwar besonders den Richter, der von Humor entweder entspannt, geweckt oder abgelenkt werden soll. (Institutio 6,3,1) Wie Cicero erscheint auch ihm die größte Gefahr zu sein, als professioneller Unterhaltungskünstler, als Clown zu erscheinen.
Wenn seine Feinde den Cicero einen Clown nannten, dann liegt darin der Vorwurf, daß Cicero, der ein homo novus war und aus der Provinz kam, die urbane Verfeinerung der Sprache der römische Oberschicht fehle; es scheint da ein schichtbewußter Beigeschmack durch.
Es verwundert nicht, daß für Cicero Humor ein Werkzeug des Tadels innerhalb der gleichen gesellschaftlichen Gruppe ist. De oratore 2, 236; zur urbanitas s. Horaz Ars 270-274; Fritz Graf, Cicero, Plautus und das römische Lachen, in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 32ff.
Aretaloqus - Tugendschwätzer: im antiken Rom Philosophen, die von den Reichen wie Narren gehalten wurden; seine Schwätzerei von Moral wirkte komisch und sollte das auch. Es waren hauptsächlich skeptische und stoische Philosophen, die sich des Brotes wegen derart verdingen mußten. Auch Diogenes von Sinope war ja im Grunde eine komische Figur, und selbst Sokrates kann man durchaus als Parasiten ansehen. Sueton berichtet, daß Augustus durch solche aretaloqui sich unterhalten ließ.
Maurice Lever, Zepter und Schellenkappe. Zur Geschichte des Hofnarren.Frankfurt 1993, 90.
... als Serapio der Worte der Sibylle gedachte, wie sie auch im Tode nicht aufhören würde zu weissagen, sondern im Monde herumgehen (vgl. 566D) und das Gesicht, das man darin sieht, annehmen würde und was mit ihrem Leibe geschehen würde, welche Farben und Gestalten die zum Opfer bestimmten Tiere annehmen usf. Da lachte Boethos noch mehr... (Boethos vertritt die Position dessen, der den Weissagungen ablehnend gegenüber steht...). Versteht sich, daß allein sein Gelächter den Boethos widerlegt!
Plutarch, Moralia 397A; 398Cff., vgl. auch Plutarch, Die eingegangenen Orakel, 19, 420b, wo Plutarch den Epikureern verwehrt, über die Vorsehung zu lachen, lachhaft seien allenfalls die Bilder der Epikureer.
Aber es gibt auch schon in der Antike eine Opposition zum Lachverdikt:
"Ein Leben ohne Feste ist wie eine Straße ohne Gasthöfe". Demokrit Fragm. 230. Und zum Fest gehört Ausgelassenheit und Gelächter!
Das klassische Vorbild für das Genre religiöser drôlerie stammt von Aristophanes in der “orphischen” Kosmologie der Vögel (695f.), wo er von einem windbefruchteten „Urei“ ulkt, das die schattenbeflügelte Nacht gebar. Der Renaissance - Topos der “Eier der Leda” gehört in denselben Bereich einer komisch - parodistischen Philosophie. Vgl. Edgar Wind, Heidnische Mysterien in der Renaissance, Frankfurt/Main 1981, S. 195f.
Der Kynismus hatte ein überaus positives Verhältnis zum Lachen; Spott über die gegnerische Phil. war sein Hauptargument: z.B. Menippos von Gadara in Koilesyrien Mitte des 3. Jh. v.Chr. Schüler des Metrokles. Vf. kynischer Satiren; steigerte Bions Weise noch: Verspottete und verhöhnte mit reichen Kunstmitteln die Philosophie und die Philosophen. Ueberweg, Geschichte der Philosophie 1, 434.
Bei Lukrez kichern sogar die Dinge! Vgl. De rerum natura II 976, vgl. III 21.
Der Stoiker Chrysipp (281-208 v.Chr.) starb an einem Lachkrampf, nämlich als er einem Esel zusah, der unverdünnten Wein gesoffen hatte. - Ansonsten teilten die Stoiker nicht die positive Ansicht der Kyniker über das Lachen, denn das verstanden sie als einen Affekt, der zu unterdrücken war, um der Apathie teilhaftig zu werden, die mit dem Zustand der Glückseligkeit identifiziert wurde.
Von Ficino wußte man, daß er in den Räumlichkeiten der Platonischen Akademie auf eine Wand eine Erdkugel gemalt hatte, neben der auf der einen Seite Demokrit abgebildet war, der über die Torheiten der Menschen lachte, während Heraklit auf der anderen Seite zu sehen war, der ihre Mißgeschicke beweinte... Eugenio Garin, Hg., Der Mensch der Renaissance, Frankfurt a.M.: Campus 1990 (zuerst Rom 1988), S. 177.
Warum wird Demokrit als der "lachende Philosoph" bezeichnet? (Wohl eigentlich erst durch Weber im 19. Jh. etabliert, s. u. Gräfrath!) Der Antike galt Demokrit als der Philosoph des Optimismus, Heraklit dagegen als Philosoph des Pessimismus: "Denn dieser konnte sich auf der Straße nicht sehen lassen, ohne Tränen zu vergießen; jener dagegen lachte; dem einen erschien alles, was wir tun, bejammernswert, dem anderen ein Possenspiel." (Seneca Von der Gemütsruhe, 15. Seneca kommentiert übrigens: Dem Menschen stehe es besser an, das Leben zu belachen, als es zu beweinen.) Vgl. Th.W. Adorno, Philosophische Terminologie II 1974,169; Lange, Geschichte des Materialismus Bd. I, Leipzig 1905, 34 ff., hält das Epitheton für belanglos und sieht darin eine die Philosophie Demokrits verflachende Polarisierung zu Heraklit, dem "weinenden" Philosophen.
Abdera war wegen des "lachenden Philosophen" bekannt, der seinen Namen bekommen zu haben scheint, weil er sich über die Dummheit seiner Mitbürger lustig machte und der in den philosophischen und moralisierenden Traktaten der späthellenist. und röm. Zeit zu einer beliebten Figur wurde. Th. Rütten, Demokrit, lachender Philosoph und sanguinischer Melancholiker, Leiden 1992; Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 102, 1994, 100-110; R. Müller, Demokrit - der lachende Philosoph, in: S. Jäkel, A. Timonen, Hrsg., Laughter down the Centuries, Bd. 1, Turku 1994, 39-51; Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 25.
Von Plotin stammt eine Beschreibung der mystischen Heiterkeit in Enneaden VI, vii, 34-36: Diese nüchtern korybantischen Abschnitte sollten nicht nur auf Ficino und Pico, sondern auch schon auf Hermeias, Proklos und Dionysios tiefen Eindruck machen (vgl. dazu J.H. Lewy, Sobria ebrietas, 1929, 103f.; E. Bréhier, Plotin, 1954: Anm. zu Enn. VI, vii, 34-36; ders. La philosophie de Plotin, 1928, 155-158: Ekstase als sentiment de présence) :
Der Geist verfüge über zwei Kräfte, die eine sei das Sehen des nüchternen Geistes, die andere der Geist im Zustand der Liebe, wenn er trunken ist von Nektar, den Verstand verliert und vor Wonne zerfließt. Es sei besser für ihn so zu rasen als sich von dieser Trunkenheit fernzuhalten. Vgl. Edgar Wind, Heidnische Mysterien in der Renaissance, Frankfurt/Main 1981, S. 76.
Spoudaios, philosophisch, bedeutet bei Plotin ernst, ernsthaft sich mühend, oft identisch mit sophos. Vgl. Karin Alt, Plotin, Bamberg: Buchners Verlag 2005, 115f.
Hermias, 2./3. Jh. n.Chr., nach Diels erst 5./6. Jh., verfaßte: Irrisio gentiliam philosophorum! Dort will er mit Witz und Sarkasmus zeigen, wie die Ansichten der Philosophen über die menschliche Seele und über die Prinzipien der Dinge einander widersprechen. Lit. Ueberweg, Geschichte der Philosophie 2, 26.
Abraham und Sarah verlachen aufgrund ihres hohen Alters und erwiesener Unfruchtbarkeit Gottes Weissagung, sie würden noch Stammeltern eines großen Geschlechts. (AT Genesis 21,6f. und Koran Sure 11, 74) Als ihnen gegen jede Wahrscheinlichkeit denn doch ein Sohn geboren wird, geben sie ihm den schönen Namen Isaak (jishaq), d.h. "er lacht"; hier kommt eine Ambivalenz zum Ausdruck, nämlich kritisches Gottesverhältnis und große Lebensfreude! Jochen Hörisch, Es gibt (k)ein richtiges Leben im falschen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2003, 75f.
Jesus wird am Kreuz verlacht. Matth. 27, 38-42; Markus 15, 29-32; Lukas 23, 29-40. Gelacht wird, weil der Kontrast zwischen dem Elend des Sterbenden und seinem Anspruch allzu kraß ist. Behauptet er doch, Sohn des allmächtigen Gottes und eigentlicher Herrscher der Welt zu sein.
Dazu kontrastiert: Monty Pythons Leben des Brian: Drei an einem Kreuz Angenagelte beginnen flott und von hemmungslos guter Laune zu singen: Always look on the bright sight of life... Hörisch, 77f.
Die Bergpredigt beglaubigt eine negative Sichtweise über das Lachen: "Wehe euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet weinen und heulen" (Luk. 6,25) Aber auch: "Selig seid ihr, die ihr jetzt weinet; denn ihr werdet lachen."
Der Autor des Briefes an die Epheser, wohl nicht Paulus, stellt fest, daß eutrapelia keinen Platz in der christlichen Gemeinschaft habe (5,4). - "Eutrapelia" heißt hier aber vielleicht nur soviel wie "anspielungsreiche Sprache", s. P.W. van der Horst, Is Wittiness Unchristian? A note on eutrapelia in Eph. V 4, in: Ders. u. G. Mussies, Hg., Studies on the Hellenistic Background of the New Testament, Utrecht 1990, 223-237; H. Rahner, Eutrapélie, in: Dictionnaire de spiritualité ascétique et mystique, Bd. IV 2, 1961, Sp. 1726-1729; C. Spicq, Notes de lexicographie néo - testamentaire, Supplément, Fribourg u. Göttingen 1982, 322-25; G. Luck, Humor, in: Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. 16, Stuttg. 1996, 753-773.
Nach Aristoteles (Nik. Eth.) ist eutrapelia die Eigenschaft, in einer zivilisierten Weise lustig zu sein, ein Gleichgewicht zwischen zu viel und zu wenig zu halten. Thomas von Aquin interpretierte diese eutrapelia theologisch als gemäßigtes Lachen, das mit der Nächstenliebe nicht in Konflikt stehe. J. Suchomski, Delectatio und utilitas: Ein Beitrag zum Verständnis mittelalterlicher komischer Literatur, Bern 1975, 55-61.
Sokrates, zum Tode verurteilt, ist heiter und unbeschwert; Jesus verhält sich in der Leidensgeschichte an keiner Stelle heiter und unbeschwert, im Garten Gethsemane erleidet er Seelenqualen und wird am Kreuz zur Verzweifelung getrieben, wenn er ruft: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Vgl. Ch. Taylor Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität Frankfurt/Main 1994, 388.
Zur Frage, ob Jesus in seinem irdischen Leben jemals gelacht habe: Der Topos begegnet in Predigten, in homiletischer Literatur, war aber auch an den Universitäten lebendig: Im 13. Jh. organisierte die Universität von Paris alljährlich traditionellerweise ein quod libet (eine Diskussion über ein gegebenes Thema, eine Art Konferenz für das allgemeine Publikum); einmal soll es sich auch um dieses Thema gehandelt haben.
Vgl. dazu Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und latein. Mittelalter 1948, 1967 6.A.; Jacques Le Goff, Lachen im Mittelalter, in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 43ff., bes.46; Jacques Le Goff, Jésus a-t-il ri? L'histoire 158, 1992, 72-74.
Für die Gnostiker diskreditiert das Lachen des Demiurgen, das mit der Weltschöpfung in Verbindung gebracht wird, die Qualität seiner Schöpfung. Paulys Realenzykl., Artikel "Weltschöpfung", Stuttg.1958, 126f.; vgl. Jonas, Gnosis und spätantiker Geist, Bd.I Göttingen 1934,370.
Der Witz wird von christlichen Autoren wie Ignatius (Briefe 4,8), Clemens von Alexandria (Paedagogus 2,6, 50); 2,7,53) und Origenes (Fragmenta ex commentariis in epistulam ad Ephesios 24 [Journal of Theological Studies 3, 1902, 559]) verurteilt, ebenso in Dutzenden von Passagen von Basilios (Briefe 2,22,1) und Johannes Chrysostomos (PG 49, 235; 58, 516; 60, 72; 62, 120 und 62, 120 passim).
Die beiden Letztgenannten gingen sogar so weit, auch das Lachen zu verurteilen, wie dies in der Tat viele Kirchenväter taten. N. Adkin, The Fathers on Laughter, Orpheus 6, 1985, 149-152; dazu das wahrscheinl. unechte Traktat des Johannes Chrysostomos, Ascetam facetiis uti non debere, PG 48, 1053-1060.
Johannes Chrysostomos wollte den Übermut solcher Mönche, die auch während des Gottesdienstes zum Kichern neigten, zum Schweigen bringen. Deshalb betonte er, dass Christus gelacht habe, sei nirgendwo überliefert, sehr wohl aber, dass er geweint habe. J. Chrysostomos, In Epistolam ad Hebraeos Cap. IX, Homilia XV, in: PG 63, 122.
Dieses Argument ist noch vereinbar mit der Behauptung des Aristoteles, die Fähigkeit zum Lachen ein proprium des Menschen sei. Denn die Aussage, dass Jesus nie gelacht habe, widerspräche seiner menschlichen Natur, was schon hinsichtlich der christologischen Dogmatik nicht der Fall sein darf.
Im "Paedagogus" des Clemens von Alexandria widmet der Autor dem Lachen einen eigenen Abschnitt. Er will Spaßmacher aus der christlichen Gemeinschaft verbannt sehen, doch zielt er nicht darauf ab, das Lachen insgesamt abzuschaffen. Clemens zufolge wäre es unnatürlich, das Lachen zu unterdrücken, aber der Christ müsse hier wie in allen Dingen Mäßigkeit zeigen.
Die Ablehnung von Spaßmachern kehrt bei den Kirchenvätern immer wieder, s. etwa Asterius, Predigten 1, 5,4 (wo Spaßmacher mit Parasiten in Verbindung gebracht werden); Gregor von Nyssa, De beneficentia 9, 105; Joh. Chrysostomos, PG, 58, 665; 60, 75; 62,120.
In Athanasios' Leben des Hl. Antonius (14) wird bemerkt, daß der Heilige nie lachte und sich auch nie grämte; das war fast wörtlich dem Leben des Pythagoras von Porphyrios entnommen (35); ihrerseits inspirierte sie wiederum Sulpicius Severus in seiner Biographie des Hl. Martin (27,1).
Johannes Chrysostomos (354 - 407) behauptete, Jesu habe nach dem Zeugnis der Bibel drei Nächte und drei Tage lang geweint; die Heilige Schrift berichtet aber mit keiner Silbe darüber, daß er auch gelacht habe. Ergo: Jesus hat niemals gelacht! S. Schreiner S. 84
Die Annahme, dass Jesus nie gelacht habe, macht auch der sog. Lentulus-Brief (13. Jahrhundert): Man habe Jesus nie lachen, aber wohl weinen sehen, heißt es da. Noch Bernard Bolzano schließt in seinen Erbauungsreden hier an und meint, „man habe Jesum wohl öfters weinen, aber sehr selten [ein Zugeständnis Bolzanos] oder nie habe sein Mund gelächelt.“ B. Bolzano, Erbauungsreden, Zweiter Band, Prag 1850, 99; zit. bei Wolfgang Künne, Versuche über Bolzano – Essays on Bolzano, Sankt Augustin: Academia 2008, 80f.
Das Argument, daß den Evangelien zufolge Jesus nie gelacht habe, sein Weinen aber aufgezeichnet sei, wird um 400 der lateinischen Christenheit von Rufinus von Aquileia übermittelt (der sich auf Chrysostomos und Basileios bezieht), danach wird es zum Topos in der theolog. Literatur. Vgl. J. Delumeau, Le péché et la peur. La culpabilisation en Occident (XIIIe - XVIIIe siècles), Paris 1983, S. 511.
Der Kirchenvater Hieronymus (um 347 - 419/20) konstatierte: "Solange wir im Tal der Tränen sind, dürfen wir nicht lachen, sondern müssen weinen."
Augustinus: "Es lachen die Menschen, es weinen die Menschen, und daß die Menschen lachen, muß man beweinen." Sermo 31, in: Migne PL 38, Sp. 194. - Daß Kinder nicht lachend, sondern unter Tränen ins Leben treten, sei ein aussagekräftiges Symbol für den Jammer und das Leid auf dieser Welt (nach Augustinus, s. Schreiner S. 84).
Rideat me ista dicentem ... et ego doleam ridentem me, Conf. X, 12, 19 (Wer mich so reden hört, der lache, aber mir tut er leid, daß er mich verlachen kann.) Auch eine Art Verbot des Gelächters!
Augustinus teilt in De civitate Dei mit, daß Cham, der Sohn des Noah und Vater Zoroasters, des Magiers, der einzige Mensch gewesen sei, der bei seiner Geburt gelacht habe, was nur mit Hilfe des Teufels habe geschehen können.
... das Heilige dem Gelächter und Spott der Nicht-Eingeweihten entziehen, Dionysius Areopagita, Die Namen Gottes, I 8, übers. von Beate Regina Suchla, Stuttgart 1988, S. 28; vgl. ders., Myst. Theol. I 1.
Der Verfasser fürchtet, wegen Unverstandes Gelächter ertragen zu müssen, Dionysius Areopagita, Die Namen Gottes, VIII 6, übers. von Beate Regina Suchla, Stuttgart 1988, S. 84
Humor und Lachen frei zu genießen ist das Zeichen einer entspannten, offenen Gesellschaft, nicht einer asketischen Ideologie oder einer steifen Gesellschaft. Insofern nimmt es nicht wunder, wenn eine gesellschaftliche Gruppe (wie die Pythagoräer, die Spartaner, die asketischen Christen) versucht, alle Arten körperlichen Ausdrucks wie Essen, Schlafen, Sexualität unter Kontrolle zu halten, auch gegen das Lachen eingestellt war.
Nur der Narr breche in schallendes Gelächter aus. Mönchsvater Benedikt, bedacht auf asketische Lebensführung, wollte nur solches Lachen zulassen, das durch Zucht und Maß gebändigt war. Strikt verboten hat Benedikt allein "albernes und zum Lachen reizendes Geschwätz" (Regula 4,8). Witze, die das Zwerchfell erschüttern, sollten Mönche nicht reißen. Schreiner 85.
Das Lachen ist zusammen mit der Eitelkeit der zweite große Feind des Mönches; in den ersten Mönchsregeln (5. Jh.) erscheint es im allgemeinen im Kapitel über die Stille, taciturnitas. Das Lachen ist der schrecklichste und obszönste Weg, das Schweigen zu durchbrechen. Jacques Le Goff, Lachen im Mittelalter, in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 43ff., hier 49f.
Für Benedikt von Nursia waren es Anzeichen von Demut, sich nicht zu rasch zum Lachen bewegen zu lassen und ohne Lachen zu sprechen. G. Perduyn, LXXII instrumenten der goede wercken van den H. Benedictus. Alles getrocken op sermoonen voor alle de zondagen des jaers, Brüssel 1697, Instr. 54 und 55.
Übermäßiges Lachen wurde auch deshalb verurteilt, weil es häufig mit sündigen fleischlichen Vergnügungen verbunden war.
Während der risus monasticus ein illegitimes, verbotenes Lachen war, hatten die Mönche doch bestimmte Momente des Vergnügens in ihren Klöstern. Sie schufen einen Typ von niedergeschriebenen Witzen, die joca monacorum, von denen es im 8. Jh. Sammlungen gab. Le Goff, a.a.O. 53.
Diese Linie führt zu einer besonderen "Lachkultur" der englischen Franziskaner, die sich, insbesondere die Novizen, im 13. Jh. in einem Kloster bei Oxford großen Anfällen verrückten Lachens ergaben, was in einer Beunruhigung der franziskanischen Autoritäten endete. Der Generalminister ließ die jungen Männer wissen, daß sie nichts übertreiben sollten: Der Heilige Franziskus habe sein Leben nicht mit verrücktem Lachen verbracht, auch habe er nie ein solch "lächerliches" Vorbild von Heiligkeit geboten. Le Goff a.a.O. 56.
Unter dem Titel Philogenus, der Lachfreund, 10. Jh., ist eine Sammlung von 265 Witzen überliefert; davon behandeln 110 den scholastikos, d.h. den, der Vorlesungen (scholas) folgt oder hält. Es ist der pedantische Student, der Jurist, aber auch der Professor, kurz, der Eierkopf. Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 24f.
Impulsives Lachen (hilaritas dissoluta) war im Kloster (im Gegensatz zur laeta) streng verpönt. Peter Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1998, S. 54, unter Anm. 313 zahlreiche Literaturhinweise zu dem Thema Lachen und Mönchskultur. Bes. Quarthal, F., Setzler, W., Hg., Stadtverfassung, Verfassungsstaat, Pressepolitik, Sigmatringen 1980, 3-15 (G. Schmitz, ..quod rident homines, plorandum est. Der Unwert des Lachens in monastisch geprägten Vorstellungen.
"Nicht lachen dürfen" im alten Byzanz, s. H. G. Beck (Hg.), Byzantinisches Lesebuch, München 1982, 319: "Ein Alter sah einen lachen. Da sagte er zu ihm: 'Wir müssen Rechenschaft ablegen vor dem Himmel und der Erde für unser ganzes Leben. Und du lachst!' " In der Aufzeichnung ist eventuell auch ein Körnchen Ironie über den Alten enthalten, der sich so aufdringlich frömmelnd verhält.
Ähnlich: "Ein alter Mann sah jemanden lachen und sagte: 'Wir haben für unser ganzes Leben dem Herrn des Himmels und der Erde Rechenschaft abzulegen - und Du lachst' ". Das Lachen erscheint als Beleidigung Gottes, s. "Apophthegmata Christianorum" des Antwerpener Canonicus Laurentius Beyerlinck (Antwerpen 1608, S. 514).
Lautes Lachen betrachtet Hildegard von Bingen als Ausdrucksform eines beschädigten Gemüts, dessen gestörte Verfassung im Sündenfall Adams und Evas ihre Ursache hat. Der Teufel deformiere Äußerungen der Freude zu einem rohen Gewieher, das unbeherrscht aus dem Menschen herausplatze. Lachen sei zudem der Gesundheit abträglich; Traurigkeit und Zorn schwächen den Menschen, maßloses Gelächter verletzte die Milz, ermüdet den Magen und läßt die Säfte durcheinanderfließen. H. von Bingen Heilkunde. Das Buch von dem Grund und Wesen und der Heilung der Krankheiten, übers. und erläutert von Heinrich Schipperges, Salzburg 1957, 225.
Das Lachen war "kein menschlicher Wert" im Mittelalter, s. Gerhard Schmitz ... quod rident homines, plorandum est. Der 'Unwert' des Lachens in monastischen geprägten Vorstellungen der Spätantike und des frühen Mittelalters, in: Stadtverfassung, Verfassungsstaat, Pressepolitik. Festschrift für Eberhard Naujoks zum 65. Geburtstag, hrsg. von Franz Quarthal und Wilfried Setzler, Sigmaringen 1980, 3 - 15
Doch einige spätmittelalterliche Schriftsteller waren nicht mehr bereit, sich mit einem freudlosen Erlöser abzufinden und insistierten darauf, Jesus habe auch gelacht. In der Tatsache, daß er gelacht habe, erblickten sie ein Zeichen seiner Menschlichkeit. Zum "kindlichen Gebaren" des Jesukindes gehörte, wie der Kartäuser Philipp in seinem Marienleben (um 1300) darlegt, sowohl "weinen unde lachen" als auch "ezzen trinken slafen wachen". Schreiner 518, Anm. zu S. 84.
Etwa bis zum 12. Jahrhundert lehnte die Kirche das Phänomen des Lachens völlig ab, sie hielt es für gefährlich und wußte nicht, wie sie es unter Kontrolle halten konnte. Um das 12. Jahrhundert ändert sich das, das Stadium der Kontrolle war erreicht worden; jetzt unterschied man eine zulässige von der unzulässigen Art des Lachens, eine gute von der schlechten Art des Humors; die Kirche erreichte also eine Art Kodifizierung der Praxis des Lachens. Alexander von Hales schrieb einen der ersten einschlägigen Texte, Albertus Magnus und Thomas von Aquin folgten. Jacques Le Goff, Lachen im Mittelalter, in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 43ff., 47f.
Das Eigentümliche des Menschen sei: risibilis zu sein (lachen zu können / lächerlich zu sein); diese Doppeldeutigkeit benutzte Pierre Abälard in seinem Logikunterricht: Wenn jemand ein Mensch ist, dann ist er auch risibilis.
Abälard hatte den Ruf, ein Spaßmacher und Possenreißer zu sein, der daher solche ernsthaften Leute wie Anselm von Laon und Wilhelm von Champeaux nicht ausstehen konnte. Abälard galt eher als ioculator (Spaßmacher) denn als ernsthafter Professor und scheint das Lachen wohl als eine Möglichkeit der indirekten Kritik an der conditio humana betrachtet zu haben. Michael T. Clanchy, Abaelard. Ein mittelalterliches Leben, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 2000 (zuerst englisch 1997), 154f., s.a. 421 (Bernhard v. Clairvaux über Abälard: Er kann sein Gelächter nicht zügeln und seinen Spott nicht unterdrücken".)
Petrus Cantor, ein Scholastiker des 12. Jh., erklärte, daß Christus, obgleich er nie gelacht habe, tatsächlich in der Lage gewesen sei, dies zu tun, da das Lachen eine Eigenschaft des Menschen sei. Cantor glaubte, daß für den menschgewordenen Christus die Verweigerung des Lachens nur dann eine Tugend gewesen sein könne, wenn er - wie jedes andere menschliche Wesen auch - die Fähigkeit zum Lachen besessen habe. E. Curtius, Europäische Literatur und latein. Mittelalter 1948, 1966 6.A., 422f.
Erycius Puteanus, Prof. an der Universität Löwen, entwickelte dieses Argument weiter. Während der Quaestones quod libeticae (Erörterungen über ein beliebiges Thema) des Jahres 1611, die alljährlich um den Tag der Hl. Lucia am 13. Dezember herum organisiert wurden, verteidigte er öffentlich das Lachen und den griechischen Philosophen Demokrit. Ausdrücklich vertrat er die These, daß das Lachen ein Ausdruck der Weisheit sei. Dabei bezog er sich auf die Weigerung Christi zu lachen. Puteanus zufolge hatte Christus sich dafür entschieden, nicht zu lachen, um ein Beispiel zu geben. Indem er sich bewußt weigerte, etwas zu tun, das ein grundlegender Teil der menschlichen Natur sei, habe er den besten Weg dazu gefunden, die Leute davon zu überzeugen, daß wahres Lachen nur in Gott gefunden werden könne. Kurz: Das Lachen sei göttlichen Ursprungs, wi man - so Puteanus - auch feststellen könne, wenn man bedenk, daß Isaak, dessen chaldäischer Name "Lachen" bedeute, ein Opfer gewesen sei, so wie Christus selbst. E. Puteanus, Democritu, sive de risu dissertatio saturnalis: publicè Lovanii habita, Löwen 1612
Johann von Salisbury (1115/20 - 1180) verfaßte eine witzige Autobiographie (enthalten in "Metalogicus"). Eco läßt seinen W. von Baskerville sich auf Salisbury berufen. Salisbury war ein Denker von bemerkenswerter Liberalität, der am Lachen nichts Anstößiges finden konnte, wenn es durch Selbstbeherrschung (temperantia) gebändigt war, also nicht in lasterhafte Ausschweifung umschlug. Das Lachen rechnet er zum antiken Kulturgut. Auch Jesus habe beim Mahl Fröhlichkeit und Musik gestattet. (Polikratus VIII 9-10; vgl. dazu Joachim Suchomski, "Delectatio" und "Utilitas". Ein Beitrag zum Verständnis mittelalterlicher komischer Literatur, Bern München 1975, 46-49) Doch wenn er als Mann des Adels gezähmtes Lachen zu den standesgemäße Umgangsformen rechnet, so wertet er es als Kleriker an anderer Stelle in seinem "Polikratus", einem Sittenspiegel, als Indiz für Leichtsinn. Dort kolportiert er dann erneut, daß Jesus nie gelacht habe, Policratus V 6, Suchomski S. 50, Schreiner S. 86.
Thomas von Aquin (1225-1274) nimmt die Idee des Aristoteles von der eutrapelia wieder auf und deutet sie als Bitte um maßvolles Lachen, eine Bitte, der sich noch Pascal anschloß.
H. Rahner, Eutrapelie, eine vergessene Tugend, Geist und Leben 27, 1954, 346 - 353; M.-M. Dufeil, Risus in theologia Thome, in: Th. Bouché und H. Charpentier, Hg., Le rire au Moyen Age dans la litterature et les arts, Bordeaux 1990, 147-163; J. Morel, Pascal et la doctrine du rire grave, in: Méthodes chez Pascal, Paris 1979, 213-222; J. Morreall, The Rejection of Humor in Western Thought, Philosophy East and West 39, 1989, 243-265.
Für Thomas von Aquin geht es um Versöhnung antiker und christlicher Anthropologie: Äußere Körperbewegung, wie Spiel, Scherz, Lachen, sind tugendhafte Handlungen, wenn sie als Zeichen einer inneren Disposition gelten können, als solche der Vernunft unterworfen sind. Bewegungen des Körpers seien Mittel zwischenmenschlicher Kommunikation, die, wenn gezügelt, Freundschaft stiften und einen Menschen liebenswert erscheinen lassen. (Summa Theologiae IIa - II ae, qu. 168 a.1.; vgl. Suchomski, S. 55-61) Thomas plädiert für die christliche Legitimität von Scherz und Lachen, für das Recht auf Entspannung und Erholung. Denn der Geist, der einem Bogen vergleichbar sei, erschlaffe, wenn er ständig angespannt sei. Schreiner S. 86 u. dort weitere Lit.
Aegidius Romanus (1243 - 1316), Augustiner und Aristoteliker, wehrt sich dagegen, diese Welt als Jammertal preiszugeben, in dem es keinen Grund zum Lachen gebe. Er empfahl das Lachen als Heilmittel zur Vertreibung der Traurigkeit, macht es den Menschen zur Pflicht, Freude bewußt zu suchen, zu erleben und zu genießen. Zu lachen wird, wie Aristoteles es angedeutet hatte, zu einem Zeichen von Menschlichkeit. (C. Schrübbers Regimen und Homo Primitivus. Die Pädagogik des Ägidius Romanus, in: Augustiniana 32, 1982, S. 366f.
Umberto Eco thematisiert in seinem Roman "Der Name der Rose" die Feindschaft des mönchischen Mittelalters gegenüber Komödie und Gelächter. Der greise Klosterbibliothekar Jorge von Burgos, ein kompromißloser Vertreter asketischer Mönchstradition, beteuert da: "Die Komödien wurden von Heiden geschrieben, um die Leute zum Lachen zu bringen, und das war schlecht. Unser Herr Jesus hat weder Komödien noch Fabeln erzählt, ausschließlich klare Gleichnisse, die uns allegorisch lehren, wie wir ins Paradies gelangen, und so soll es bleiben!" William von Baskerville, der gebildete, weltoffene und menschenfreundliche Franziskaner aus England, kontert: "Ich frage mich, warum Ihr so abweisend gegen den Gedanken seid, daß Jesus gelacht haben könnte. Ich für meinen Teil halte das Lachen durchaus für ein gutes Heilmittel, ähnlich dem Baden, um die schlecten Körpersäfte und andere Leiden des Körpers zu kurieren, insbesondere die Melancholie." U. Eco Der Name der Rose München 1982, 168f.; Burkhart Kroeber, Hrsg., Zeichen in Umberto Ecos Roman 'Der Name der Rose', 1987.
In diesem von Kroeber herausgeg. Buch mit Aufsätzen über Ecos "Der Name der Rose“ wird der Kernsatz dieses Romans: "Vielleicht gibt es am Ende nur eins zu tun, wenn man die Menschen liebt, die Wahrheit zum Lachen zu bringen, denn die einzige Wahrheit heißt: lernen, sich von der krankhaften Leidenschaft für die Wahrheit zu befreien!" (Eco 624) mit großer Skepsis behandelt. Positiv äußert sich allerdings P. Imbert S. 190 und A. Giuliani S. 18, aber nur in der unbefriedigenden Kürze einer zitierenden Wiederholung von Sätzen Ecos. Die ausführlichste Kritik bei U. Wyss (der durchaus eine Anspielung auf Stalin bei Eco versteht , S. 97, aber außerstande ist, diese auch philosophisch umzusetzen), der einschränkend sich auf das Lachen bezieht: "Auf das Lachen würde ich mich nicht verlassen, wenn es darum geht, daß wir uns frei machen. Die Wahrheit zu verlachen, ist das wirklich der Weg ins Freie? Was ich über die seelischen Mechanismen des Lachens weiß, vor allem durch Freud, es spricht eigentlich dagegen. Eine Kultur des Lachens ist immer resignativ; wer Hemmungswiderstände ablacht, räumt die Hemmnisse gerade nicht beiseite, die einem guten Leben im Wege stehen. Die Metaphysik des Gelächters kultiviert das Idol der Regression, vor welchem der Prozeß der Aufklärung immer wieder zusammenbricht. Lachen ist eine Kategorie der praktischen Vernunft und als solche gar nicht hoch genug zu schätzen. Verdis Falstaff wird noch den verstocktesten metaphysischen Griesgram davon überzeugen. Doch wer das Lachen als Heilmittel gegen die Dialektik der Aufklärung einsetzt, verfällt ihr um so eher." S. 104 - M. Parodi versteht zwar Eco ein wenig besser, wenn er zugesteht, daß es notwendig sei, "gegen die Mönche zu kämpfen, die ohne ein Lächeln ihre Welt der Bedeutungen verteidigen",(Eco 366) S. 47, daß es wahr sei: "der Teufel ist nicht der Fürst der Materie, der Teufel ist die Anmaßung des Geistes, der Glaube ohne ein Lächeln, die Wahrheit, die niemals vom Zweifel erfaßt wird" (Eco 607), aber hinzusetzt: "Gewiß darf und muß man über jene lachen, die glauben, man dürfe nur schreiben 'aus Engagement für die Gegenwart und im Bestreben, die Welt zu verändern' (Eco 12), aber man muß auch die Nützlichkeit und Notwendigkeit derer zugeben, die es für wichtig halten, die Welt zu verändern - und man muß sogar zu geben, daß die Rede vom Schweigen und das Nachdenken über die Ironie in gewissem Maße dazu beitragen können, ein kleines Stück Welt zu verändern." S. 47 - Teresa de Lauretis erkennt das Lachen in einem Roman von Edmondo De Amicis als das Böse, das vom respektlosen Schuljungen sich in einen Lehrer und franziskanischen Ex-Inquisitor verwandelt, der es nun dialektisch und semiotisch zu denken gelernt hat und die, "aber ohne Schmäh, nun wirklich 'von innen' über die Ordnung lacht. Und Eco lacht mit ihm." S. 31
Drei lächelnde und betende Engel zeigt ein Detail am Tympaneon zum Jüngsten Gericht des Bamberger Doms. Siehe J. Le Goff, Das Mittelalter in Bildern, Stuttgart 2002, 113. Die für den damaligen Betrachter dahinter stehende Moral lautet, daß die Teufel sich überall und bei jedem einschleichen und überall auftauchen können.
Michail Bachtin zufolge war das Mittelalter, das von der Kirche dominiert war ein Zeitalter der Traurigkeit, umgekehrt war die Renaissance, deren Anfänge er recht früh datierte, die große Bewegung der Befreiung des Lachens; er regte die Bildung des Ausdrucks "Lachkultur" im Deutschen an. Siehe M. Bachtin, Literatur und Karneval, München 1969, bes. 40, 43, 45.
Seine Hauptuntersuchung geht über Francois Rabelais und die Karnevalskultur des Mittelalters (Rabelais und seine Welt, Frankf./M. 1995 (das Buch war 25 Jahre lang in Rußland verboten und erschien erstmals 1965 in Moskau).
Für Bachtin bewegt sich mittelalterliche Kultur zwischen zwei gegensätzlichen Polen: die offizielle Kultur, die Kultur der Kirche, die Kultur der Gebildeten, die von furchtsamen und furchterregenden Leuten getragen wurde, die nie lachten und das Lachen sogar haßten.
Am anderen Pol findet Bachtin die volkstümliche Kultur des Mittelalters, die vom Lachen dominiert war. Der Karneval war in seiner Sicht das Destillat dieser Volkskultur. Das karnevalische Lachen aber, das bedeutet bei Bachthin die grenzenlose Freiheit, sich über alles lustig machen zu können und nichts, absolut nichts ist davon ausgenommen!
Aaron Gurjewitsch wendet ein, daß die mittelalterliche Volkskultur keineswegs vor allem Lachkultur war, daß das Lachen der Kirche andererseits überhaupt nicht fremd war. A. Gurjewitsch, Bachtin und seine Theorie des Karnevals, in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 57ff., bes. 59f.
Die Kirche stand dem Lachen nicht prinzipiell entgegen. J. Horowitz und S. Menache, L'Humour en chaire: Le rire dans l'eglise médiévale, Genf 1994.
Auch die sog. exempla, kurze didaktische Geschichten, die seit dem Beginn des 13. Jh. in der Regel in Predigten von Mönchen und Klerikern eingeschlossen waren, enthalten viel Material, das man für die Geschichte des Lachens und des Humors als bedeutend interpretieren kann. Gurjewitsch a.a.O. 60.
Die strenge Organisation des Universum, die von Theologen und Philosophen proklamiert wurde, fand sich in der volkstümlichen Vorstellung nicht so dominant wie in den Köpfen der Gebildeten. A. Gurjewitsch, a.a.O. 60.
Das einseitige Bild Bachtins von der mittelalterlichen Welt erklärt sich vielleicht aus dessen Biographie, seiner Verbannungszeit und seiner Opposition gegen die stalinistische "Kirche". Gurjewitsch 61.
Daß die Kirche Antipode der mittelalterlichen Lachkultur gewesen sei, widerspricht Hermann Bausinger in einem kleinen Aufsatz (Hermann Bausinger, Lachkultur, in: ders., Fremde Nähe. Auf Seitenwegen zum Ziel. Essays, Tübingen 2002, 53-75). Jenseitsglaube und Komik haben nämlich eine entscheidende Gemeinsamkeit: das diesseitig Bestehende in Frage zu stellen. Vgl. 67.
Witz und schnelles Reagieren bringe das städtische Leben in einen Zusammenhang. Ebd. 69.
In seinem berühmten Essay über die Renaissance widmet Jacob Burckhardt einige einsichtsvolle Seiten dem, was er den "modernen Spott und Witz" nannte. (Die Kultur der Renaissance in Italien, Basel 1860, Kap. 2, Abs. 4)
Priester konnten in dieser Zeit Spaßmacher sein, wie fra Mariano am Hof Leos X. A. Graf, Un buffone di Leone X, in: A. Graf, Attraverso il '500, Turin 1916, 365-390.
Doch es gab Grenzen. In Castigliones Cortegiano kritisiert Bernardo Bibbiena den Boccaccio wegen eines Witzes, der "über die Grenze hinaus geht" (passa il termine). Der Hofmann, Berlin 1996, Buch 2, Abs. 93.
Vladimir Propp äußerte die These, daß das Lachen zu bestimmten Gelegenheiten als eine Art Ritual verstanden wurde; insbes. das Osterlachen kann als solches Rituallachen interpretiert werden. V. Propp, Theory and History of Folklore, Manchester 1984, Kap. 9.
Florenz galt als "la capitale de la beffa". - In Boccaccios Dekameron kommen in 27 Erzählungen beffe vor. A. Fontes, Le thème de la beffa dans le Décaméron, in: A. Rochon, Hg. Fomes et significations de la beffa, 2 Bde., Paris 1972-82, I, 12-44, bes. 28.
Vgl. auch Peter Burke, Grenzen des Komischen, in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 64ff., 67. - Burke erwähnt ständig Scherze, spielt darauf an, reißt sie an, aber in der Weise, daß er immer auf die Übermittlung des Komischen verzichtet; die Ebene der Gelehrtheit wird keinen Deut verlassen, der wissenschaftliche Ernst bleibt ungebrochen. So erwähnt er den Streich eines gewissen Furlinfan (68), ohne aber darüber aufzuklären, worin der eigentlich bestand. Die Anekdoten, die er berichtet, sind ohne Komik, sie sind bloß belehrsam (vgl. 70).
Ein Bild des lächelnden Demokrit, der die Tränen Heraklits verachtet, schmückte das Studierzimmer von M. Ficino, dem eine Aura von Toleranz und weltlicher Güte nachgesagt wurde. Er erinnerte seine Besucher daran, daß euthymia, Heiterkeit, eine dem Philosophen wohl anstehende Eigenschaft ist. Ficino verfaßte auch eine Schrift De voluptate, in der er das Wesen der Lust dahingehend bestimmte, daß sie das höchste Gut eines Platonikers werden konnte. Er unterschied in einem Apologus de voluptate zwischen himmlischer und irdischer Lust, die nur ein trügerisches Abbild des überirdischen Originals sei. Aber Mißtrauen gegenüber der falschen voluptas sollte uns nicht zu der Annahme verleiten, Wissen sei ein höheres Gut als Lust. Der Genuß des Wissens liegt in der Lust, weshalb Lust und Freude für den philosophisch Liebenden höhere Werte sind als Forschung und Anschauung. Diesen hedonistischen Schluß bekräftigte Ficino in seiner Epistola de felicitate: Im Wettstreit von Erkenntnis und Freude trägt der gaudium den Sieg davon und bleibt summum bonum. Auch Pico della Mirandola folgte in dieser Bewertung, daß Lust das höchste Gut und eine dem Verstand überlegene Gabe sei, seinem Lehrer Ficino. Vgl. Edgar Wind, Heidnische Mysterien in der Renaissance, Frankfurt/Main 1981, S. 63 - 67. Das epikureische Element im Renaissance - Platonismus hat bis in die neuere Zeit “nur Bestürzung, Verlegenheit und Unglauben hervorgerufen.” Wind, a.a.O. 86f.
Beim Lachen, nämlich über eine Zote, sollen Pietro Aretino (Lange-Eichbaum 324) als auch LaMettrie gestorben sein.
Boureau-Deslandes, "Betrachtungen über diejenigen Großen Leute, welche im Scherzen gestorben sind", 1747 in dt. Übersetzung erschienen.
Bei Luther bedeutet "Witz" noch soviel wie Verstand, Klugheit; heute noch in "gewitzt", Luther WA 16, 353.
Erasmus von Rotterdam konnte über die törichte Welt, ihre Dummheiten und auch den Machtwahn der Kirche lachen (s. Lob der Torheit), anders als Luther, der sich empörte... Anton J. Gail, Erasmus von Rotterdam, Reinbek: Rowohlt 1974, 51.
Thomas Morus, dem verschiedene lustige Anekdoten nachgesagt werden (z.B.: Er schiebt den Bart bei seiner Hinrichtung beiseite: “Der hat ja nicht Hochverrat begangen!”), was aber wohl eher auf die Rechnung der Hagiographen des Philosophen geht; auch seine “Utopia” werden gelegentlich als Sammlung witziger Einfälle gelesen. Doch im allgemeinen dürfte Morus zuviel Scherzhaftigkeit und Lachen als unschicklich angesehen haben. Gerald Munier, Thomas Morus. Urvater des Kommunismus und katholischer Heiliger, Hamburg: VSA 2008, S. 145.
Der Klerus der Gegenreformation hatte sich auf eine kulturelle Offensive verlegt, nicht mit dem Ziel, das Scherzen insgesamt zu verbannen, sondern mit dem, seinen Einfluß zu reduzieren. Witze, wenn sie vom Klerus erzählt wurden, wurden zunehmend für unanständig gehalten, da dessen Verhalten von gravitas, Würde, geprägt sein sollte; auch der Ort der Kirche als heiliger Ort, oder heilige Themen erschienen unpassend. Vgl. Burke a.a.O. 72f.
So denunzierte San Carlo Borromeo in seinem Provinzialkonzil von 1565 die Osterspiele, weil sie ein Lachen hervorriefen. Papst Pius V. erließ ein Dekret gegen "unmäßiges" Lachen in der Kirche. Burke 73.
Der Index librorum prohibitorum von Papst Sixtus V. (1590) umfaßte - strenger als seine Vorgänger - die Sammlungen von facezie, die von Domenichi und Guicciardini herausgegeben waren, und dies trotz ihres Anspruches, Moralisten zu sein. F.H. Reusch, Hg., Die indices librorum prohibitorum des sechzehnten Jahrhunderts, Tüb. 1886, 481.
Robert Bellarmin verlieh in einem Brief von 1608 seinem Widerstand gegen enthüllende Details über das Leben von Heiligen Ausdruck, welche eher Lachen als Erbauung hervorbringen könnten. Vielleicht dachte er an das traditionelle Bild vom Hl. Joseph als einer Witzfigur, dem der Heilige Geist Hörner aufgesetzt habe. Burke 73.
Veranlaßt durch Erzbischof Quiroga (1580er Jahre) sollte in spanischen Kirchen kein Bild zugelassen sein, daß Gelächter produziere. Es war dies die Zeit El Grecos in Spanien, der mit seiner Malerei diese Bedingung natürlich voll erfüllte.
Norbert Wolf, Die bedeutendsten Maler der Alten Zeit, Wiesbaden 2007, 125.
Noch 1690 widmete der Bischof von Gent, Albert de Hornes, einen ganzen Hirtenbrief der mangelnden Andacht in den Kirchen. "Wie impertinent ist der miserable Wurm, der in der Gegenwart seines Gottes, des erniedrigten Christus, lacht?" so der erzürnte Bischof. Johan Verberckmoes, Das Komische und die Gegenreformation, in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 77ff., 78.
Die Gegenreformation hat, was den Humor betrifft, einen schlechten Ruf. Der französ. Historiker Jean Delumeau zitiert mehrere Theologen des 17. Jahrhunderts, die glaubten, daß sich der Mensch wegen des Zustands der Sündigkeit des Lachens enthalten solle. J. Delumeau, Le péché et la peur. La culpabilisation en Occident (XIIIe - XVIIIe siècles), Paris 1983, 510f.
"Lache nicht und sage nichts, was Lachen hervorruft", ermahnt Ignatius von Loyola in den Zusätzen zur ersten Woche seiner "Spirituellen Übungen". I. de Loyola, Écrits, hg. M. Giuliani, Paris 1991, 98f.
Jedoch scheint eine strenge Anwendung der Regel, das Lachen zu unterdrücken, kein Hauptanliegen der gegenreformatorischen Hierarchie bei der Kontrolle des Klerus gewesen sein, so Verberckmoes a.a.O. 81.
"Jetzt ist die Zeit für das Weinen, und im Himmel wird die Zeit für das Lachen sein," wiederholt der Canonicus Pieter Croon von Mechelen oder auch der Pämonstratenser Jacob Moons aus Antwerpen (17. Jh.) das Verdikt des Kirchenvaters Origenes. Nach Vergebung der Sünden im himmlischen Jerusalem erwartet uns das einzige natürliche Lachen. Dieser augustinische Pessimismus ließ Bossuet oder de Rancé das Lachen verdammen und führte zu rigoosen moralischen Prinzipien. Epigramatisch drückt es der Jesuit Adriaen Poirters aus: "Wer zuletzt lacht, lacht am besten." Zit. bei Verberckmoes 82; Delumeau a.a.O. 330f.
Eine zynische Folgerung, die die augustinische Theologie erlaubt, ist die Drohung, daß Gott die nichtreuigen Sünder in der Hölle auslachen werde. Diese perverse Idee fand am Ende des 17. Jh. in den Predigten des lombardischen Unbeschuhten Augustinischen Eremiten Angelo Mari de San Filippo und anderer Ausdruck: Als zweiter Nero werde Gott die Verdammten in den züngelnden Flmmen verlachen und ihnen so die letzte Chance der Erettung nehmen. Piero Camporesi, L'enfer et le fantasme. Une théologie baroque, hg. M. Aymard, Paris 1989, 117-121.
Schon 1682 hatte Jacob Moons seiner flämischen Zuhörerschaft eine Vorstellung davon vermittelt, was sie von einem solchen lachenden Gott erwarten können: wer den Klerus zu Lebzeiten verspottet habe und andere, die der Welt den Rücken zugewandt hatten, würden in der Stunde des Todes von Gott selbst verlacht werden. J. Moons, Sedelycken vreughden bergh, Antwerpen 1682, 344 (mit Bezug auf Salomonis 4,18).
Francis Bacon hatte das Gefühl, daß es "bestimmte Dinge gebe", die man vor dem Spaß schützen müsse, und wies auf die Bereiche von Kirche und Staat, wo ein "Kult des Anstands", die Werte der Nüchternheit und Erwürdigkeit allmählich die Oberhand gewannen. Siehe Keith Thomas, The Place of Laughter in Tudor and Stuart England, Times Literary Supplement, 21. Jan. 1977, 77-81, zit. in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999, 16.
Dennoch schrieb Marx über Bacon: "In Bacon ... birgt der Materialismus noch auf eine naive Weise die Keime einer allseitigen Entwicklung in sich. Die Materie lacht in poetisch-sinnlichem Glanze den ganzen Menschen an. ... In seiner Fortentwicklung wird der Materialismus einseitig. ... Die Sinnlichkeit verliert ihre Blume und wird zur abstrakten Sinnlichkeit des Geometers. Die physische Bewegung wird der mechanischen oder mathematischen geopfert; die Geometrie wird als die Hauptwissenschaft proklamiert. Der Materialismus wird menschenfeindlich." K. Marx, MEW, Bd. 2, Berlin 1956, 135f.
Teresa von Avila schrieb, daß das Lachen ihr dazu verhalf, ihr eigenes Leiden besser zu verstehen (me rió y conozo mi miseria).
Die Mystikerin Maria Petyt aus dem flämischen Dorf Hazebroek, heute Nordfrankreich, kannte dieselbe Art von Lachen. Wenn ihr im Beginenhof von Gent Kinder Ehrerbietung erwiesen, da sie sich den Ruf der Heiligkeit erworben hatte, und riefen "Schau', die Heilige ist da, mach' Platz", lachte Maria Petyt manchmal, weil sie glaubte, daß die Kinder sie neckten. Dies waren die Narren für Christus und die Erben einer alten christl. Tradition. A. Deblaere, De mystieke schrijfster Maria Petyt (1623 - 1677), Gent 1962, 33; J. Saward, Perfect fools, Oxford 1980; J. Poitrey, Vocabulario de santa Teresa, Madrid 1983, 598 s.v. reir.
Der Jesuit Adriaen Poirters erachtete das Lachen als eine wahre christliche Haltung, es "muß von innen heraus kommen und das Herz erfreuen, was uns zum Lachen bringt". A. Poirters, Het Masker van de wereldt afgetrocken, hg. J. Salsmans u. E. Rombauts, Oisterwijk 1935, 370
Catharina Daneels, eine Nonne aus Leuwen, neigte ihrer spirituellen Biographie nach "sehr zum Lachen, nicht aus Eitelkeit oder Torheit, sondern aufgrund einer natürlichen Fröhlichkeit, Streit und Uneinigkeit zu vermeiden und Ablehnung und Zorn zu entgehen. Wenn jemand in ihrem Haus etwas zerbrochen oder etwas falsch gemacht hatte und einen Tadel erwartete, begann Catharina zu lachen und zeigte so ihre Freundlichkeit." F. De Smidt, Doorluchtich ende stichtich leven van Iouffr. Catharina Daneels, Antwerpen 1647, 163f.
Lachen zum Zweck des Friedens und der Ruhe schien die perfekte Verbindung zwischen Stoizismus und katholischer Selbstopferung zu sein. Joan de Grieck, ein volkstümlicher Autor aus Brüssel, behauptete, diejenigen, die nur einmal im Monat lachten, hättenkaum eine Seele. J. de Grieck, De Sotte Wereldt ..., Brüssel 1682, 292.
Selbst in den Klöstern wurden Mönche mit einer melancholischen Grundhaltung, wie der Benediktiner Jacques Rahier in Stavelot - offen zum Lachen gezwungen. J. Hoyou, Les moines de l'abbaye de Stavelot en 1633, Buletin de l'institut historique belge de Rome 37, 1966, 361- 369, 366.
Im 17. Jh. verteidigte Franz von Sales (und auch andere) die christliche eutrapelia: Introduction à la vie dévote. Eutrapelia ist für ihn gute Unterhaltung, Wortspiele in einer Atmosphäre gemäßigter Fröhlichkeit und Freude; sie darf aber nicht Spott werden, der auf die Verachtung des Nachbarn zielt. Francois de Sales, Oeuvres Paris 1969, 207 (Einführung Teil III Kap. 27); vgl. A.L.J. Daniels, Les rapports entre St. Francois de Sales et les Pays - Bas 1550 -1700, Nijmwegen 1932.
Für Blaise Pascal sind Wahrheitsliebe, Diskretion und Frömmigkeit, die man als Nächstenliebe zusammenfassen kann, die Geheimnisse des wahren christlichen Lachens - Prinzipien, die ihm zufolge zum Erfolg eines Spaßes beitragen. Les Provinciales, hg. L. Cognet, Paris 1965, 193-214; vgl. J. Morel, Pascal et la doctrine du rire grave, in: Méthodes chez Pascal, Paris 1979, 213-222.
Eine Art Gültigkeitsprüfung entdeckt Shaftesbury im Lächerlichen in seinem "test by ridicule", Letter Concerning Enthusiasm (Brief, Meiner 1980, 6ff.): Der Spott als gleichsam ästhetisch gewendete Wahrheitsprobe...
Dazu verstand sich auch LaMettrie, s. Ursula Pia Jauch, Jenseits der Maschine. Philosophie, Ironie und Ästhetik bei Julien Offray de la Mettrie (1709-1751), München 1998, 106, 475. - "Ridendo dicere verum", wie Demokrit lachend die Wahrheit sagen. Ursula Pia Jauch, Jenseits der Maschine. Philosophie, Ironie und Ästhetik bei Julien Offray de la Mettrie (1709-1751), München 1998, 189.
Lachen und Wissenschaft, für Kant ein sich ausschließender Widerspruch, für LaMettrie und Emilie du Chatelet durchaus nicht unangemessen! U. P. Jauch, a.a.O., S. 316.
Matthew Arnold konnte “Voltaire nicht recht ernst nehmen, weil der große Mann gerne lachte - was freilich nur beweist, daß eine Portion Humor auch einem bedeutenden Dichter und Kritiker wohl anstünde.” Theodore Besterman, Voltaire, München: Winkler 1971 (zuerst London 1969), S. 460.
Chr. Thomasius schätzte den Scherz (und nicht die häßliche Zote), über den seine Hörer munter und freudig auflachen, nicht aber, daß sie überlaut lachten: “ein Narr lacht überlaut, aber ein Weiser lächelt ein wenig”. Max Fleischmann, Hg., Christian Thomasius. Leben und Lebenswerk, Halle (Saale): Niemeyer 1931, S. 120.
Lord Chesterfield war der Überzeugung, daß ein Gentleman niemals lachen dürfe. Es reiche, wenn er huldvoll lächele.
Lord Chesterfield kritisierte das (laute) Lachen scharf. Sein Brief 144 vom 9. März O.S. 1748 bietet eine umfangreiche Passage, in der das Lachen verdammt wird (der Mob "nennt es fröhlich sein"). Chesterfield zufolge ist das Lachen sehr illiberal und ungezogen, ein unangenehmer Lärm, neben der "erschütternden Verzerrung des Gesichts, das es verursacht". Im Brief 146 vom 19. Okt. O.S. 1748 sagt Chesterfields Sohn (an den die Briefe ursprünglich gerichtet waren), daß "lautes Lachen der Spaß des Mobs ist, der sich nur an törichten Dingen erfreut, denn wahrer Witz oder guter Verstand hat nie Lachen hervorgebracht ..." Ch. Strachey, Hg., The Letters of the Earl of Chesterfield to his Son, London 1901.
Das ist nichts Neues. Schon 1576 hatte Robert Petersen in seinem Galateo vor allem Anmut in den Sitten gefordert und "unschickliches Gelächter", das Lachen über die eigenen Witze und unanständige Schwänke verdammt. Es handelt sich um: John della Casa Galateo ... A treatise of the manners and behaviours ..., London 1576, S. 120; die engl. Übersetzung von "Galateo ..." von G. Della Casa.
Goldsmith verfocht das Lachen und wandte sich gegen Chesterfields Bemerkungen. O. Goldsmith. A Comparison between Laughing and Sentimental Comedy, The Westminster Magazine or The Pantheon of Taste 1, 1773, 4-6; wieder in: A. Friedman, Hg., Collected Works of Oliver Goldsmith, 5 Bde., Oxford 1966, III, 209-213.
Dr. Johnson bemerkte gelegentlich über die Briefe von Chesterfield, daß sie "die Moral einer Hure und die Sitten eines Tanzlehrers lehren". M. Drabble, Hg., The Oxford Companion to English Literature, Oxford 1985 5.A., s.v. Chesterfield.
Am 6. Juni 1789 gaben sich die Mitglieder des tiers état einen ersten internen Verhaltenskodex; hier spricht man sich für eine Haltung der Würde und der Leidenschaftlosigkeit aus; die Mitglieder der Versammlung sollen still auf ihren Plätzen sitzen, weder Applaus geben noch Beleidigungen aussprechen dürfen: "Beleidigungen oder Vorführungen einzelner Charaktere sind verboten, ebenso jeder Ausbruch von Lachen". A. Castaldo, Les méthodes de travail de la Constituante, Paris 1989.
Die Anhänger der Revolution mahnen zur "Ernsthaftigkeit", Frankreich solle keine "frivole und spaßhafte Nation" sein. Antoine de Baecque, Parlamentarische Heiterkeit, in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999,127ff., 131.
Trotzdem wurde auch in dieser sinisteren Umgebung gelacht, die Akten verraten 408 Vorfälle von Gelächter für die Sitzungen der französischen Nationalversammlung, die von Mai 1789 bis September 1791 tagte. Der Autor, der diese eigentümliche Statistik dem Leser präsentiert, übersieht bei seiner freudevollen Pedanterie, daß diese 408 Male über zweieinhalb Jahre Versammlungszeit nicht gerade eine hohe Zahl von Gelächter bedeutet, eine entspannte Runde vermuten läßt; er ahnt es: "mehrere Wochen lang lachte die Versammlung nicht ein einziges Mal". Baecque a.a.O. 128.
In der Tendenz wurde das Lachen in der Nationalversammlung instrumentalisiert, ausgelacht werden politische Gegner. Das Lachen wird politische Waffe, die Gegensätze zwischen den Parteiungen in dem Repräsentantenhaus hatten sich verschärft und führten zu harten politischen Auseinandersetzungen (145f.)
1790 war in Paris der Karneval auf den Straßen verboten, weil man maskierte Feinde fürchtete und von althergebrachten Gebräuchen loskommen wollte; die Royalisten dagegen ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, in Satiren machten sie die Nationalversammlung lächerlich. (143ff.)
Hier, wie zu so vielen Zeiten, gilt: "In einer Umwelt, in der die Tragödie echt und häufig ist, hat das Lachen grundlegende Bedeutung dafür, daß man nicht den Verstand verliert". Laura Bohannan (Pseudonym: Elenore Smith Bowen), Return to Laughter: An anthropological Novel, New York 1954, Nachdruck 1964, 290 bzw. 295, zit. bei Henk Driessen, Humor, Lachen und die Feldforschung, in: Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999,167ff., 179.
In der vorletzten der anonymen "Nachtwachen des Bonaventura" wird das Lachen als das wirksamste Mittel bezeichnet, jedem Hohne der Welt und selbst dem Schicksal Trotz zu bieten.
Bernd Gräfrath Ketzer, Dilettanten und Genies. Grenzgänger der Philosophie Hamburg 1993: Karl Julius Weber, "Demokritos, oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen", 1832ff. erschienen (vgl. Gräfrath 79); zum Humor bei Weber, auch Seeliger und Shaftesbury vgl. Gräfrath 82ff.; im Kloster Reichenau werden die Bücher in seeria und jocosa gegliedert: Alle Theologischen hie (trotz vieler Lächerlichkeiten), alle übrigen, auch der Aristoteles, dort. (Gräfrath 84); übers Lachen bei Weber S. 87; s.a. Schopenhauer Parerga II 2 S.432 Anm.; zu: Ewald Gerhard Seeliger "Handbuch des Schwindels" Gräfrath S.92
Auszüge aus dem "Demokritos" von Karl Julius Weber:
Lachen, Schlaf und Hoffnung - diese drei Dinge gab uns Mutter Natur gegen die Mühseligkeiten eines Lebens, das manche nicht annähmen, wenn sie zuvor gefragt würden.Viele hoffen ihr ganzes Leben hindurch - spiro, spero: ich hoffe, solange ich atme - und überdies bleibt ihnen jedenfalls die letzte aller Hoffnungen: die der ewigen Seligkeit. Diese letzte Hoffnung gibt Millionen eine Ruhe, die weder die Freude noch der Schmerz und noch weniger die stolze Philosophie der Nichthoffnung geben kann, welchen seligen Glauben daher andere nie irre machen sollten. Gewähren nicht selbst getäuschte Hoffnungen Genuß? Von zwanzig Mädchen, die wir liebend umschwärmen wird ja auch, wenn's gut geht, nur eine - unsere Frau!
Immer bleibt es aber der schönste Vorzug des Mitteldings zwischen Tier und Engel: daß es hoffen darf, was ihm beliebt; oder, um mit dem Dichter zu reden: "Die Welt wird alt und wieder jung - stets hoffte der Mensch Verbesserung!"
Weniger tröstlich als die Hoffnung benehmen sich Schlaf und Lachen, denn beide verlassen uns in der Regel da, wo wir sie am besten gebrauchen könnten: wenn die Leidenschaft tobt, die Nerven leiden und unsere Maschine zerrüttet ist. Denn Schlaf und Lachen erfordern Kraft, und das alte lustige Sprichwort hält nicht ganz Stich: "Der Lacher springt über das Grab."
Wie dem auch sei: allein der Mensch lacht. Alle Tiere, alles über und unter ihm ist ernst, alles ruht um ihn, er allein ist die Unruhe. Der Mensch erscheint nur groß und wichtig, wenn wir ihn mit der Tierwelt vergleichen. Vermutlich haben die Tiere diesen Vorzug nicht erhalten, weil bei ihrer Schöpfung der Mensch noch nicht da war - und über was hätten sie dann lachen sollen? Der Mensch lacht allein und muß dabei oft genug weinen - daß er gelacht hat...
Unser Lachvermögen und die Nebenprivilegien des Nasenblutens und Rülpsens unterscheiden viele oft mehr vom lieben Vieh als die stolze Vernunft. Der Mensch bleibt immer das edelste der Tiere, weshalb er auch zuletzt erschaffen wurde; das Beste kommt zuletzt, und daher kam das Weib auch erst nach dem Mann.
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So wurde das Weib der große Gedankenstrich im Buch der Natur und die Marionette der Vorsehung. Was ihn diese Welt allein noch erträglich machte, war die Verstellungskunst, und diese paßt ganz in die Zeit, wo das Repräsentativsystem an der Tagesordnung ist. Was hätten wir vom Leben, wenn wir unsere Dummheiten nicht belachen dürften? Und warum sollte der Mensch von dem ausschließlichen Geschenk des Himmels nicht Gebrauch machen? Es gäbe hundert Dummheiten weniger, wenn man sie nicht so ernst nähme. Soviel bleibt doch wahr, daß der Mensch sich nie behaglicher fühlt als in dem Augenblick, wo er im Rausch der Fröhlichkeit nur wenige Spannen um sich blickt - und lacht.
Noch Linné rechnete den langhändigen Affen (Homo Lar) und den Menschen zu einer Gattung, Rousseau fand in den Pongos den Urmenschen und der Arzt Moscati schreibt unserer aufrechten Stellung alles Herzklopfen, alle Schwindsucht, Fußgeschwülste, Verstopfung der Leber und so weiter zu und preist die glückliche horizontale Stellung der Vierfüßler. Fester steht man allerdings auf vier Füßen, wovon uns jeder Stuhl und Tisch überzeugen kann, aber selbst die kleinen Kinder entschließen sich einmal, den zweibeinigen Naturgang anzunehmen. Aber manche Affenarten halten uns, wie gewisse gelehrte Herren, noch ganz unbefangen für ihresgleichen und können natürlich von der Anatomie, die seitdem mehrere feine Unterschiede entdeckt hat, nicht wissen. Es gibt Tiere, die verhältnismäßig mehr Gehirn haben als der Mensch, aber es fehlt der feinere Nervenbau u.s.w. Und, - daß wir nicht hintenaus - pissen. Aber mit der Affenverwandtschaft hat es schon seine Bewandtnis. Überdies erzeugt Afrika die meisten Affen, Frankreich unstreitig die liebenswürdigsten und mein teures Vaterland die größten.
Lachen ist, wissenschaftlich gesehen, eine krampfartige Bewegung der zum Atemholen nötigen Muskeln und ein Naturausdruck der Behaglichkeit und Freude. Novalis, der in seinem kurzen Leben wohl nur wenig lachte, nennt das Lachen einen Absonderungs- das Weinen einen Einschluckprozeß, jenes ein Flüchtigwerden, dieses ein Starrwerden. Wenn einmal die Träne als "das Blut des verwundeten Herzens" bezeichnet worden ist, so weiß ich keinen passenderen Gegensatz, als das Lachen mit dem "Mai der Heiterkeit" zu vergleichen. Die Philosophen hätten den Menschen ebensogut "Tränen"- oder "Weintier" (letzteres in doppeltem Sinne) nennen dürfen, wie sie ihn "Lachtier" genannt haben....
Kant lachte nicht oft, aber das galt wohl vor allem dem groben Studentenwitz seiner Zeitgenossen. Manfred Kühn, Kant. Eine Biographie, Mchn. 2003, 84
Gelegentlich behaupteten die Biographen Kants, daß der große Königsberger "nie" oder doch nur "selten gelacht" habe (z.B. Karl Vorländer, Immanuel Kant. Der Mann und das Werk. Zweite, erweiterte Auflage, Hamburg: Meiner 1977, Bd. I, S. 47). Hier hat man eine feine Entschuldigung bei der Hand, die schweren Brocken, die Kants Philosophie einem auftischt, als unverdauliches Zeug abzuservieren. Arnulf Zitelmann, Nur daß ich ein Mensch sei. Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant, Weinheim und Basel: Beltz 1996, 226. - Wenn auch der alte Kant einen streng geregelten Tagesablauf, wie er nur zu oft zitiert worden ist, besaß, so scheint doch die Mittagsmahlzeit keineswegs ohne humorige Unterhaltung eingenommen worden zu sein. Über Heiterkeit und Kants Witz bei Tisch s. Vorländer, a.a.O., II 299f.
Nietzsche behauptet, dass seit dem 18. Jahrhundert eine Abnahme der Heiterkeit zu verzeichnen sei, wofür er Rousseau verantwortlich macht. Wille zur Macht 62
"Die Verdüsterung der Atmosphäre läßt sich nicht mehr verleugnen, sie begann nach Nietzsche gerade im Gefolge der Aufklärung, gegen 1770 habe man eine Abnahme der Heiterkeit bemerkt. Es begann das Zeitalter der Kritik und von Problemen, mit denen sich nichts anfangen ließ, sobald man sie aufwarf." Arnold Gehlen Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik Wiesbaden 1981 (zuerst 1969), 154
Casanova plante ein Manuskript unter dem Titel "Wahrer Dialog zwischen mir und J.J. Rousseau in Bourgoin, als er sich den Namen 'Renaud der Botaniker' zulegte, über das Lachen aus vollem Halse.
Lothar Müller, Der Abenteurer, die Bücher und der Tod, in: Giacomo Casanova Über den Selbstmord ... Frankfurt a. M. 1994, 44.
Casanova wirft Rousseau vor, wie auch Nietzsche, daß er "weder Sinn für das Lachen, noch das göttliche Talent, andere zum Lachen zu bringen" verfügte, S. 50.
Doch Rousseau war gar nicht so humorlos, wie Nietzsche oder Casanova meinten; zumindest in seinen gesunden Jahren. Bernhard H. F. Taureck, Jean-Jacques Rousseau, Reinbek: Rowohlt 2009, S. 16f.
Die Abfassung der Xenien von J.W.Goethe und F. Schiller soll unter herzlichem und lautem Lachen vonstatten gegangen sein, vgl. Rüdiger Safranski, Goethe & Schiller. Geschichte einer Freundschaft, München: Hanser 2009, S. 170, 174: “... lachen über ihre Einfälle, daß man es noch auf der Straße und im oberen Stockwerk hört.” Ebd. 174.
Als Goethe im Mai 1802 das Theaterstück “Alarcos” von Friedrich Schlegel auf die Bühne brachte, kam es zu einem Skandal: Die Tragödie ging nämlich am Ende in Lachen unter. Goethe wandte sich von seinem erhöhten Sessel im Parkett um, funkelte ins Publikum und grollte: Man lache nicht! Er vermutete eine Verschwörung aus dem Umkreis Kotzebues... Rüdiger Safranski, Goethe & Schiller. Geschichte einer Freundschaft, München: Hanser 2009, S. 275
Jean Paul: Götter können spielen, aber sie lachen nicht! Vorschule der Ästhetik III3
Witz, Humor, und Phantasie sollen zwar "einer höheren Macht, als sie selber sind, dienen", aber sie sind "Früchte der Erkenntnis", "Glut des vollendeten Genusses". Der Humor ist dann immerhin "der Privatdozent der Philosophie". L. Feuerbach, Gesammelte Werke, hgg. von Werner Schuffenhauer, Berlin, Akademie-Verlag 1966ff., Bd. 1, 537.
Das Lachen bei Nietzsche; Nietzsche lehrt im Zarathustra eine Religion des Lachens, s. Werner Ross, Der ängstliche Adler. Friedrich Nietzsches Leben, München: dtv 1994 (2. Aufl.), 762. - Das Lachen der Kundry, die beim Anblick des Gekreuzigten gelacht habe und deshalb zu ewiger Wanderschaft verdammt ist, s. ebd.
Von seinem inneren Lied, seinem Lachen, seiner Faulheit und Weltzufriedenheit, schreibt H. Thoreau, Walden, Zürich 1971, 118.
Lachen: Zustand der überwirklichen Kontinuität (im Ggs. zur alltäglichen Diskontinuität) bei Georges Bataille (Heiliger Eros); bei Bataille also ein ausnehmend positiver Begriff des Lachens.
"Von aller Lava, die der menschliche Mund, dieser Krater, auswirft, ist die verzehrendste die Fröhlichkeit", Victor Hugo, L'Homme qui rit, Bd. VIII, Kap. 7 (zit. bei Horkheimer, Adorno, Dial. d. Aufkl., 1971, 102).
Niemand wird sich einen lustigen Abend in Gesellschaft Wittgensteins vorstellen können; der Mann scheint vollständig humorlos gewesen zu sein. Kurt Wuchterl, Adolf Hübner, Ludwig Wittgenstein, Reinbek: Rowohlt 1979, 18.
Allerdings stimmt das nicht ganz; so tauschte Wittgenstein mit seinem Londoner Freund Pattison in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg eine ganze Reiche von Nonsense-Briefen, die durchaus auch lustig gemeint waren. Siehe Ray Monk, Wittgenstein. Das Handwerk des Genies, Stuttgart: Klett-Cotta 2. Aufl. 1992 (zuerst engl. 1990). - Auch Humor in einem Kriminalroman schätzte Wissenschaft. Für ihn hatten die Nazis den Humor in Deutschland vertilgt. Monk a.a.O. S. 560, 562f.
Wittgenstein galt bei seinen Mitstudenten in Cambridge vor dem 1. Weltkrieg als humorlos. Ray Monk, Wittgenstein. Das Handwerk des Genies, Stuttgart: Klett-Cotta 2. Aufl. 1992 (zuerst engl. 1990), 65, 90. - Er war überhaupt bei Mitstudenten unbeliebt. Monk 82.
Die Verfasser der "Dialektik der Aufklärung" haben erhebliche Einwendungen gegen das Lachen, denunzieren es als "Zeichen der Gewalt" und können ihm nur mit Mühe ein positives Moment abgewinnen, indem sie ihm als Sich-selber-Innewerden der blinden Natur philosophische Meriten zusprechen. (M. Horkheimer, Th. W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, 1971, 70f.) Das schallende Gelächter läuft der menschlichen Zivilisation zuwider: das herzhafte Lachen sei Ausdruck der Verhärtung des Individuums in sich selbst, das sich erst richtig im (primitivisierenden) Kollektiv ausleben lasse. (A.a.O., 101f.; vgl. 126, 165)
Man lacht heute über alte humoristische Sujets wie bei Rabelais und Cervantes nicht mehr. Th. W. Adorno, Noten zur Literatur, Frankf./M. 1981, 603. Zu durchschaubar seien dem gegenwärtigen Leser die Gegensätze von klug und dumm, Realität und Verblendung konstruiert...
"Fun ist ein Stahlbad." GS 3, 162. - Philosophie sei die allerernsteste Sache, "aber so ernst wieder auch nicht." Th. W. Adorno, Negative Dialektik, 1966, 26. - "Lachen, einst Bild von Humanität, zum Rückfall in die Unmenschlichkeit." Theoder W. Adorno, Noten zur Literatur: Zur Dialektik von Heiterkeit. GS 11, S. 603.
"Humor selbst ist albern: lächerlich geworden - wer könnte über komische Grundtexte wie den Don Quixote oder den Gargantua noch lachen -, und das Urteil über ihn wird von Beckett exekutiert. Noch die Witze der Beschädigten sind beschädigt. Sie erreichen keinen mehr; die Verfallsform, von der freilich aller Witz etwas hat, der Kalauer, überzieht sie wie Ausschlag." Theoder W. Adorno, Noten zur Literatur: Versuch, das Endspiel zu verstehen. GS 11, S. 300-301. - Zu "Humor/Lachen" bei Adorno siehe Roger Behrens, Adorno - ABC, Leipzig: Reclam 2003, 105f.
Tendenziell ist über alles zu spotten, gerade weil es nichts mehr zu lachen geben soll... Die Frankfurter Schule beklagt die allumfassende Nivellierung auch des Ernstesten und seine daraus resultierende Ohnmacht... Hans-Martin Kruckis, Versöhnung mit Katzen, in: Manfred Bauschulte/Volkhard Krech/Hilge Landweer (Hgg.), Wege - Bilder - Spiele. Festschrift zum 60. Geburtstag von Jürgen Frese, Bielefeld: Aisthesis 1999, 201-211, 210f.
L. Febvre sieht Möglichkeiten, durch "genaue Lektüre" von nur einer Quelle Gefühlskonjunkturen zu rekonstruieren. Dennoch muß dann zumindest diese Quelle "relevant" sein. In diesem Sinne etwa ist M. Bachtins Werk über die "Lachkultur" des Spätmittelalters und der Renaissance zu verstehen, das sich an Rabelais' großen Roman "Gargantua und Pantagruel" als Quellenbasis hält. Ganz anders geht J. Le Goff mit der Geschichte des Lachens um. Worüber Menschen lachen, kann sich ungeheuer voneinander unterscheiden. Das weiß jeder. Aber dieses Phänomen ist nicht nur eine Frage unterschiedlichen Humors, sondern auch unterschiedlicher sozialer Erfahrungen und Prägungen. Das weiß an sich auch jeder, wenn er/sie an Filme wie "Ladykillers" und "Scheidung auf italienisch" denkt. Damit ist Lachen aber auch ein historisches Phänomen. Le Goff sammelt nicht nur verschiedenartige Anlässe und Gründe für Lachen, sondern auch entsprechend verschiedenartige "Ansteckungen" - Sozialkontakte. Er zeigt, daß verschiedene Stände und Schichten unterschiedlichen Ansteckungsprozessen unterliegen, indem er die Kommunikation zwischen ihnen und "in ihnen" untersucht.
Gewitztheit und Lachen waren immer eng verknüpft miteinander: Humor als kreative Abkürzung bei einem schwierigen Problem. Dazu Cl. Lévi-Strauss, Mythologica IV, Der nackte Mensch 2, Frankfurt/M. 1976, 772.
Die Menschen lachen, wenn sie mit anderen zusammen sind. Beim einsamen Lachen wird doch die Gemeinschaft mit anderen vorgestellt. Lachen habe etwas wesentlich Gemeinschaftliches. Henri Bergson, Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen, Zürich 1972.
Bergson, auch Kant, insbesondere Bataille haben kluge Dinge über das Lachen gesagt, aber gibt es eine "lachende Philosophie"?
Hans Blumenberg versucht "angesichts des Bachwerkes" von Humor zu sprechen, nämlich "Humor" dem Wortsinn nach als etwas Fließendes und Strömend-Bewegtes, das Erleichterung verschafft. H. Blumenberg Matthäuspassion Frankf./M. 1988, 36
Im Falle Salman Rushdies scheinen auf fundamentalistischer Seite die religiösen Gefühle als so heilig angesehen werden, daß Humor, Fiktion und Ironie als schmutzige und hinterhältige Beleidigung und Entehrung empfunden werden. Im Gegensatz dazu scheinen einige Heilige und Mystiker einen oftmals geradezu kindlichen Humor gehabt zu haben. Selbstironie und Humor müssen gar nicht als Bedrohung erlebt werden, auch eben dann nicht, wenn gerade der Glaube fest und tief ist, aber trotzdem kann der eigene Standpunkt als begrenzt erfahren und angesehen werden. Humor wird dann zu einem willkommenen pädagogischen und didaktischen Hilfsmittel bei der Unterrichtung von Schülern. Wenn jede Kritik an den erhabenen Themen sofort als unrein, gefährlich empfunden wird, dann deutet das daraufhin, daß die Fundamentalisten ihre "Glaubensfundamente" in Tat und Wahrheit gar nicht gefunden haben. Andernfalls müßten sie sich nicht von jeder humoristischen oder ironischen Bemerkung angegriffen fühlen.
Eine gelungene Metamorphose erlebte das russische Siegesdenkmal bei Dreilinden, dem Autobahnkontrollpunkt bei der Einfahrt nach Westberlin. Der auf hohem Sockel martialisch drohende Sowjetpanzer wurde nach der Wende von Spaßvögeln durch eine rosa angepinselte Erntemaschine ersetzt. Sie steht für Arbeit statt Krieg, für Zukunft statt Vergangenheit, für Kultur statt Vandalismus.
Das Lachen, so M. Bachtin, "befreit nicht nur von der äußeren Zensur, sondern vor allem vom großen inneren Zensor, von der in Jahrtausenden dem Menschen anerzogenen Furcht vor dem Geheiligten, dem autoritären Verbot, dem Vergangenen, vor der Macht." Literatur und Karneval, München 1969, 38f.
Humor bei Michel Foucault, s. etwa Borges-Zitat in: Ordnung der Dinge; doch das Befreiende des Lachens herauszustreichen, gelingt ihm nicht, vielmehr formuliert er lieber tragisch und gequält... Vgl. Ulrich Johannes Schneider, Michel Foucault. Darmstadt: Primus 2004, 78.
“Lächeln verboten! - Nach deutschem Recht ist für ein Paßfoto eine neutrale Gesichtsmiene vorgeschrieben; neutral heißt: weder lachen noch weinen. Der Geist der Verordnung scheint wohl darin zu liegen, daß sich der Ausweisinhaber durch Grimassieren unkenntlich machen könnte; außerdem wollte man wohl den Neigungen von Spaßvögeln vorbeugen. Wenn jedoch dem Bürger das Lachen, ja jedes Lächeln auf seinem Foto untersagt wird, dann schüttet man offenbar das Kind mit dem Bade aus! Wieso soll der neutrale Gesichtsausdruck kein Lächeln beinhalten? Neutral heißt hier wohl: leer, inhalts- und gedankenlos, normiert. Doch letztlich, das ist noch zu bedenken, sind es wohl die Beschäftigten in den Einwohnermeldestellen, die entscheiden, ob ein Foto zulässig ist oder nicht. Und hier ist Spiel, hier entscheiden immerhin Menschen!” FAZ 17. Aug. 2007
Allgemeine Literatur:
Jan Bremmer, Herman Roodenburg, Hg., Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, 1999;
A. Hügli, Das Lächerliche, Stichwort im Hist.Wört.der Philosophie;
Gerhard Schmitz ... quod rident homines, plorandum est. Der 'Unwert' des Lachens in monastischen geprägten Vorstellungen der Spätantike und des frühen Mittelalters, in: Stadtverfassung, Verfassungsstaat, Pressepolitik. Festschrift für Eberhard Naujoks zum 65. Geburtstag, hrsg. von Franz Quarthal und Wilfried Setzler, Sigmaringen 1980, 3 - 15;
Klaus Schreiner, Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin München, Wien 1994, 84 - 88 (Hat Maria auch gelacht? Antwort: Sie durfte es nicht - jedenfalls nicht herzhaft. Weil dies der asketischen Lebensweise zuwiderlief.);
Joachim Suchomski, "Delectatio" und "Utilitas". Ein Beitrag zum Verständnis mittelalterlicher komischer Literatur, Bern München 1975;
Volker M. Tschannerl, Das Lachen in der altindischen Literatur 1993;
H. Weinrich, Kolleg über Heiterkeit. In: Merkur 43, 1989, 553-567.